Der Chiemgau-Impakt, E.F.F. Chladni und das Bayerische LfU

CIRT (2013): Buchbesprechung „Nicht von dieser Welt – Bayerns Meteorite“. Hg.: Bayerisches Landesamt für Umwelt, 126 Seiten, 2012. 19,00 EUR.

Das bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) hat Ende 2012 anläßlich der gleichnamigen Sonderschau bei den Mineralientagen München 2012 das Buch „Nicht von dieser Welt – Bayerns Meteorite“ herausgegeben.  „Der Chiemgau-Impakt, E.F.F. Chladni und das Bayerische LfU“ weiterlesen

Chiemgau-Impakt: Die Gravimetrie des Tüttensee-Kraters – neu beleuchtet

Wir wurden von einem aufmerksamen Internet-Besucher auf einen Blogartikel des Dr. Robert Huber, Meeresgeologe von der Universität Bremen (den wir bereits im Zusammenhang mit den regmaglyptischen Furchensteinen vom Chiemsee und seiner Interpretation als Fraß von Bakterien, Algen und Muscheln kennengelernt haben) hingewiesen, in dem Huber auf die Gravimetrie des Tüttensee-Kraters (Ernstson 2005) eingeht (Huber 2011). Wir haben uns diesen Blog-Text angeschaut und gefunden, dass Huber eine ganz neue, verblüffende Erklärung für die Schwereanomalien gefunden hat. Gleich zu Beginn lesen wir, dass Huber bereits in einem vorangegangenen Beitrag gemeint hat, zur Interpretation der Gravimetrie beitragen zu können. Diesen Beitrag haben wir leider nicht mehr im Blog finden können, worauf uns der oben genannte aufmerksame Leser mitgeteilt hat, dass in diesem nun nicht mehr existierenden Beitrag Huber offensichtlich die beiden geophysikalischen Verfahren der Gravimetrie und Geomagnetik nicht recht hat unterscheiden können.

In dem hier zur Diskussion stehenden Beitrag ist allerdings nur noch von der Gravimetrie am Tüttensee die Rede. Kurz zusammengefasst lautet die These von Huber: „Chiemgau-Impakt: Die Gravimetrie des Tüttensee-Kraters – neu beleuchtet“ weiterlesen

Der Chiemgau-Impakt und Wikipedia

Wir verfolgen mit Interesse Diskussionen zu einschlägigen
Wikipedia-Artikeln und möchten, dass die Leser/innen dieser Seite die Möglichkeit
haben, sich einen eigenen Eindruck von der wechselvollen Qualität der
Diskussionsbeiträge zu machen und sich ein eigenes Urteil über die
verschiedenen Versionen der Wikipedia-Artikel zu bilden:

http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Chiemgau-Einschlag

 

GAREIS UND GARAUS: TÜTTENSEE UND TOTEIS – ANALYSE EINER BEARBEITUNG AUS HEUTIGER SICHT (CIRT, OKTOBER 2010)

tüttensee Meteoritenkrater schräg google earth Quelle Google Earth

Der Tüttensee bei Grabenstätt: Keinerlei Hinweise und Beweise für einen Toteisursprung.

In jüngster Zeit ist von Gegnern des Chiemgau-Impaktes eine wissenschaftliche Abhandlung aus den siebziger Jahren (Gareis, J. [1978]: Die Toteisfluren des bayerischen Alpenvorlandes als Zeugnis für die Art des spätwürmzeitlichen Eisschwundes, Würzburger Geographische Arbeiten, Würzburg, 101 Seiten) bemüht worden, in der die Toteisgenese des Tüttensees angeblich nachgewiesen sei. So schreibt z.B. Dr. Robert Huber in seinem Chiemgau-Blog:

„…. hat Josef Gareis bereits im Jahr 1978 die Toteisgenese des Tüttensees mit geomorphologischen und sedimentologischen Untersuchungen nachgewiesen.“

In dieser Arbeit werden der Tüttensee und seine Umgebung auf knapp 2 Seiten (inkl. Fußnote) berücksichtigt, und nach dem dort gedruckten Text (wörtliche Zitate nachfolgend in kursiv) kann J. Gareis keineswegs als Kronzeuge für eine Glazialbildung der Tüttensee-Hohlform benannt werden. Eher das Gegenteil ist der Fall. Das wird nachfolgend belegt.

Der Autor beschreibt die vorhandene Struktur wie folgt:

Es entstand in Form einer 8 die doppelte Tüttensee-Ringterrasse.“. Weiter wird dazu im Text ausgeführt:: „Innerer Aufbau und Form der Terrasse, vor allem der Kantenverlauf sprechen gegen eine Entstehung durch glaziale … oder fluvioglaziale … Prozesse.

Welcher Prozess dann zur Bildung der sogenannten Ringterrasse geführt hat, wird nicht erklärt.

Nun zur Fußnote [man beachte: Fußnote!] in dieser Arbeit, in der der Autor näher auf den Tüttensee eingeht:

„GAREIS UND GARAUS: TÜTTENSEE UND TOTEIS – ANALYSE EINER BEARBEITUNG AUS HEUTIGER SICHT (CIRT, OKTOBER 2010)“ weiterlesen

Unter die Lupe genommen: „Der Sturz des Phaethon“:

Diskussion und Erwiderung in der Zeitschrift „Antiquity“

Im Sommer 2010 haben die Historikerin Barbara Rappenglück und andere Wissenschaftler des Chiemgau Impact Research Teams in der renommierten internationalen Fachzeitschrift „Antiquity“ einen durch unabhängige internationale Experten begutachteten (peer review) Aufsatz publiziert unter dem Titel “The fall of Phaethon: a Greco-Roman geomyth preserves the memory of a meteorite impact in Bavaria (south-east Germany)“ (Antiquity 84, 2010, 428-439; http://antiquity.ac.uk/ant/084/ant0840428.htm). In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Antiquity“ versuchen Beamte des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) in einer (keinem Fachgutachterprozess unterworfenen) Rückmeldung auf den Aufsatz von Rappenglück et al., den Umstand eines Meteoriteneinschlags im Chiemgau, den sog. Chiemgau Impakt, grundsätzlich in Frage zu stellen (Doppler et al., Antiquity 85, 2011, 274-277). Rappenglück et al. antworten darauf im selben Heft (Antiquity 85, 2011, 278-280; http://antiquity.ac.uk/ant/085/ant0850278.htm) und weisen die Einwände des LfU zurück. Die Copyright-Richtlinien von „Antiquity“ gestatten es nicht, den Text auf dieser Webseite zugänglich zu machen. Wir bieten hier daher einen Überblick zu unserer Erwiderung.

Doppler et al.s Argumentation stützt sich auf Studien, deren Ansatz für die Impaktforschung ungeeignet ist. Dies sei anhand des folgenden Beispiels illustriert: Doppler et al. bestreiten die Existenz des von uns mit dichten, gezielt angelegten Sonar-Messungen nachgewiesenen 900x400m-Doppelkraters im Chiemsee mit dem Argument, „over 200 km of seismic profiles“ sowie 4 Bohrkerne hätten keine „major disturbance in the sedimentary sequence“ gezeigt. Schauen wir uns zuerst die 200 km seismische Profile an. Projiziert man diese scheinbar beachtliche Länge als rechtwinkliges Netz auf die Fläche des Chiemsees, die eine Ausdehnung von ca. 80 km2 hat, so ergibt sich eine große Maschenweite von ungefähr 800 m. Das bedeutet, dass sogar eine so große Struktur wie der 900x400m-Doppelkrater der Auffindung leicht entgehen konnte. Betrachten wir des weiteren Doppler et al.s vier Bohrkerne. Für die Zielsetzung von Impaktforschung sind vier Bohrkerne verteilt über eine Fläche von 80 km2 der Nadel im Heuhaufen vergleichbar. Darüber hinaus unterliegen Doppler et al. dem Irrtum, dass im Fall von meteoritischen Nebeneinschlägen in den Chiemsee das gesamte Bett des Chiemsees durcheinandergebracht worden sein müsste (Doppler et al. 2011: 276: “They [the cores] produced undisturbed sections and show no indication of a major disturbance in the sedimentary sequence which would be expected from an impact.”). Dieser Gedanke belegt eine amateurhafte Vorstellung von Impaktprozessen und eine völlige Unkenntnis der Geophysik eines Meteoriteneinschlags. Im nächsten Absatz, im Zusammenhang mit Doppler et al.s Bohrung am Tüttensee, wird dies erläutert.

Das zentrale Argument von Doppler et al. basiert auf einer Bohrung am Rand des Tüttensees. Dort fanden sie “an undisturbed sequence ranging from 4800 years ago near the surface to 12 500 years ago from the lake deposits at the base” (Doppler et al. 2011: 274). Aus dieser Beobachtung schließen sie, dass weder der Tüttensee-Kessel ein Meteoritenkrater sei, noch, dass er – wie von uns erschlossen – im sehr späten Holozän entstanden sei, sondern seine Entstehung der letzten Eiszeit verdanke. Doppler et al.s Schlussfolgerung basiert auf der (falschen) Annahme, dass sich die Stelle ihrer Bohrung innerhalb des Kraters befinde. Die Frage, ob diese Stelle innerhalb oder außerhalb des Kraters ist, ist sehr wesentlich im Hinblick auf die beim Impakt freiwerdenden Kräfte, ihre Ausdehnung und ihre Auswirkungen. Der heute sichtbare Rest des Kraterwalls suggeriert, dass sich die Bohrstelle innerhalb des Kraters befinde. Doch ist dieser Eindruck, wie die Graphik zeigt, falsch. Die Bohrstelle befindet sich außerhalb der ursprünglichen Kraterhohlform, wo, den physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Druckausbreitung entsprechend, die Schockintensität bereits so abgefallen war (auf einen maximalen Druck von wenigen kbar), dass geringfügige Deformationen in einem Bohrkern von wenigen Zentimetern Durchmesser nicht mehr erkennbar sind. Genauso ist es nicht möglich, dort noch einen Temperaturanstieg nachzuweisen. Doppler et al.s Kernargument erweist sich so als hinfällig.

Kraterbildung1 3

Stark vereinfachter Ablauf der Kraterbildung und der Ansatz der Bohrung des LfU (erstmalig veröffentlicht in ‚Antiquity‘ 85, 2011, S. 279).

Wir erläutern hier im Gegenzug unseren grundlegenden Beleg für einen Meteoriteneinschlag, den Doppler et al. konsequent ignoriert haben. Planare Deformationslamellen (engl. Planar Deformation Features [= PDF]) in Quarz sind eine Form der Schockmetamorphose von Gestein und gelten nach internationalem Standard als Beleg für einen Impakt (Stöffler & Langenhorst 1994: 165). PDFs entstehen durch sehr kurz wirkende, aber extrem starke Drücke (für die Entstehung von PDFs in Quarz sind minimal 5-10 GPa [50-100 kbar] erforderlich), und können einzig durch Impakte erzeugt werden. Weder tektonische Prozesse noch die Auflast von Gestein oder Eis erzeugen Schockphänomene. Wir haben PDFs in Steinen vom Tüttenseewall und aus der Tüttensee-Ejektaschicht gefunden (sowie in anderen Teilen des Kraterstreufelds) (Ernstson et al. 2010: 82). Diese Steine wurden beim Impakt im Zentrum des Kraters geschockt, aus dem Krater herausgeschleudert und außerhalb abgelagert. Ein Mikroaufnahme von PDFs haben wir in unserem Aufsatz veröffentlicht (Rappenglück et al.: fig. 3); PDFs von verschiedenen Stellen im Kraterstreufeld sind abgebildet in Ernstson et al. 2010: 82. Allein mit diesem Nachweis ist der Chiemgau-Meteoriteneinschlag bestätigt.

Statt sich mit diesen Belegen für Schockmetamorphose auseinanderzusetzen und die international akzeptierte Beweiskraft derartiger Beispiele von Schockmetamorphose für einen Meteoriteneinschlag zu akzeptieren, versuchen Doppler et al., ihre Leser mit ihrer (unhaltbaren) Kritik an Sekundäraspekten (sei es die Frage der Datierung, der kohligen Kügelchen, der stark korrodierten Steine, der verglasten Steine, der Eisensilizide etc.) davon zu überzeugen, dass der Impakt als solches Unsinn sei. Mit dieser Taktik greifen unsere Kritiker zum einen zu einer unwissenschaftlichen Vorgehensweise, zum anderen beweisen sie damit ihre fundamentale Unkenntnis von Impaktforschung und den darin gültigen Nachweiskriterien. Doppler et al. dokumentieren in geradezu absurder Weise selbst diese Unkenntnis, wenn sie von „astronomical conditions required as a criteria for an impact“ sprechen (Doppler et al. 2011: 277, unter Bezug auf Heinlein), die schlicht und einfach nicht existieren. Der Verweis auf Heinlein (Der so genannte „Kelten-Killer-Komet“ – Gab es einen Kometeneinschlag im Chiemgau? Journal für Astronomie, III/2009, Nr. 30, Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V., S. 84-86.) belegt, dass offensichtlich eine Verwechslung von „Nachweiskriterien“ und „Modellrechnungen“ vorliegt. Modellrechnungen sind durch viele Variable gekennzeichnet, die mit fortschreitendem Stand der Forschung immer neu angepasst werden müssen. Als Nachweiskriterium können sie aus diesem Grund nicht dienen, und unsere Kritiker erliegen einem Irrtum, wenn sie sie als ein solches heranziehen wollen. Unter https://www.chiemgau-impakt.de/diskussion finden Sie international akzeptierte Kriterien für einen Impakt und eine Aufstellung, wie der Chiemgau Impakt diese Kriterien erfüllt.

Ergänzende Bemerkungen:

Wir führen hier einige Beispiele dafür an, wie Doppler et al. unseren Text in “Antiquity” (Rappenglück et al. 2010: 428-439) verfälschend handhaben, und die zeigen, dass dem Text von Doppler et al. sogar die fundamentalen formalen Anforderungen an eine wissenschaftliche Debatte fehlen.

Doppler et al. (2011: 274) behaupten, wir würden den Chiemgau Impakt “some 2500 years ago” in die Eisenzeit datieren. Tatsächlich aber haben wir das Ereignis 4200-2800 Jahre zurück datiert (2200-800 v. Chr.), d. h. in die Bronzezeit (Rappenglück et al. 2010: 436).

Doppler et al. (2011: 274) behaupten, wir würden den Impakt durch den Mythos datieren. Das ist falsch: Wir haben den Impakt und den Mythos unabhängig voneinander datiert und dann die Daten verglichen (Rappenglück et al. 2010: 435-37).

Doppler et al. behaupten (2011: 276), wir würden sagen, der Chiemsee habe einst den Tüttensee eingeschlossen. Das ist schlicht und einfach nicht wahr, und natürlich können sie keine Belegstelle in unserem “Antiquity”-Aufsatz angeben, an der diese angebliche Behauptung stehen würde. Diese Art des Umgangs mit unserem Text ist mindestens schlampig zu nennen, wenn es sich nicht sogar um willentlich verzerrende Wiedergabe handelt.

Bemerkenswerterweise findet man diesen Umgang mit Texten auch bei Studien, mit denen sie ihre Statements zu untermauern versuchen: Doppler et al. (2011: 277) behaupten, Möslein habe die zur Diskussion stehende Ablagerung in Stöttham als “anthropogenic” bezeichnet. Natürlich geben sie keine Referenz an, denn in seinem Grabungsbericht (Möslein, S., 2009. Grabungsbericht. Chieming TS, Stöttham-Dorfäcker 2007/08. Technical report, Bad-Tölz, unpubl.; einsehbar im Landratsamt Traunstein) äußert sich Möslein überhaupt nicht zum Ablagerungsprozess dieser Schicht (Möslein 2009: 14f.).

Auch zitieren Doppler et al. (2011: 276) Gareis (Gareis, J. 1978. Die Toteisfluren des bayerischen Alpenvorlandes als Zeugnis für die Art des spätwürmzeitlichen Eisschwundes [Würzburger Geographische Arbeiten 46]. Würzburg) als Kronzeugen für die glaziale Entstehung der Tüttenseelandschaft. Doch Gareis (1978: 68) schließt mehrere Male die glaziale Genese von Teilen des Tüttensee-Ringwalls explizit aus. Mit diesen Beispielen gerät Doppler et al.s Text selbst unter rein formalen Gesichtspunkten ins Zwielicht.

Zur weiteren Lektüre empfohlen:

Ernstson, K., Mayer, W., Neumair, A., Rappenglück, B., Rappenglück, M.A., Sudhaus, D., Zeller, K.W. (2010), The Chiemgau Crater Strewn Field: Evidence of a Holocene Large Impact Event in Southeast Bavaria, Germany: Journal of Siberian Federal University, Engineering & Technologies 3 (1), 72-103. (http://elib.sfu-kras.ru/bitstream/2311/1631/1/04_.pdf)

Hiltl, M., F. Bauer, K. Ernstson, W. Mayer, A. Neumair, M.A. Rappenglück (2011), SEM and TEM analysis of minerals xifengite, gupeiite, Fe2Si (hapkeite?), titanium carbide (TIC) and cubic moissanite (SiC) from the subsoil in the Alpine Foreland: Are they cosmochemical?: 42nd Lunar and Planetary Science Conference, 1391.pdf. (http://www.lpi.usra.edu/meetings/lpsc2011/pdf/1391.pdf)

Liritzis, I., N. Zacharias, G.S. Polymeris, G. Kitis, K. Ernstson, D. Sudhaus, A. Neumair, W. Mayer, M.A. Rappenglück, B. Rappenglück (2010), The Chiemgau Meteorite Impact and Tsunami Event (Southeast Germany): First OSL Dating: Mediterranean Archaeology & Archaeometry, Vol.10, No. 4, (in press).

Rappenglück B., K. Ernstson, W. Mayer, A. Neumair, M.A. Rappenglück, D. Sudhaus, K.W. Zeller (2009), The Chiemgau impact: an extraordinary case study for the question of Holocene meteorite impacts and their cultural implications, Proceedings, Cosmology across cultures, ASP Conference Series 409, San Francisco, Astronomical Society of the Pacific, 338-343. (http://www.aspbooks.org/a/volumes/article_details/?paper_id=30130)

Rappenglück, B., M.A. Rappenglück, K. Ernstson, W. Mayer, A. Neumair, D. Sudhaus, I. Liritzis (2010), The fall of Phaethon: a Greco-Roman geomyth preserves the memory of a meteorite impact in Bavaria (south-east Germany), Antiquity 84, 2010, 428-439. (http://antiquity.ac.uk/ant/084/ant0840428.htm)

Schüssler, U., M. Rappenglück, K. Ernstson, W. Mayer, B. Rappenglück (2005), Das Impakt-Kraterstreufeld im Chiemgau: European Journal of Mineralogy 17, Beihefte 1, 124.

Streit um Meteoritenkrater im Chiemgau

Nachtrag

Am 25.8.2010 schreibt Wissenschaftsredakteur Markus Becker in SPIEGEL online einen längeren Artikel zum Thema:
Chiemgau-Einschlag – Forscher halten Kelten-Kometen für Legende

Am Schluss seines Textes, der relativ ausgewogen beide Seiten zu Wort kommen lässt, insbesondere aber auch ausführlicher auf die wissenschaftlichen, den Impakt stützenden Untersuchungen anderer Forschergruppen eingeht, wird Dr. Roland Eichhorn, Abteilungsleiter Geologie am Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) so zitiert:

LfU-Geologe Eichhorn versucht nun offenbar, den Anhängern der Meteoritentheorie eine goldene Brücke zu bauen. Denn dass ein kosmisches Geschoss den Tüttensee erschaffen habe, sei auch nach der neuen Untersuchung weiterhin möglich. „Vielleicht sollte man in der Eiszeit weiterforschen“, schlägt Eichhorn vor.

Das CIRT meint dazu, dass hier nicht den Anhängern der Meteoritentheorie eine goldene Brücke gebaut werden soll. Vielmehr erscheint es so, als ob Dr. Eichhorn sich selbst und seinen Mitarbeitern eine goldene Brücke bauen möchte, um ohne allzu großen Gesichtsverlust aus der Angelegenheit herauszukommen. Allerdings zeigt sein Hinweis auf einen möglichen Meteoriteneinschlag mit der Bildung des Tüttensees in der Eiszeit erneut, dass Dr. Eichhorn und seine Mitarbeiter sich bis heute absolut kein Bild von den geologischen Vorgängen und Beobachtungen am Tüttensee gemacht haben. Wie in allen Publikationen des CIRT, in Fachjournalen und im Internet, nachzulesen und im Impakt-Museum in Grabenstätt eindrucksvoll präsentiert, muss der Impakt viele tausend Jahre nach der Eiszeit stattgefunden haben. Das zeigen unwiderlegbar die archäologischen Funde in der Impakt-Katastrophenschicht, in der sie zusammen mit den diagnostischen Impaktgesteinen angetroffen werden.

Auf eine Brücke in Richtung CIRT könnte das LfU zugehen, wenn sich Dr. Eichhorn entschließen könnte, mit seinen Mitarbeitern eine Exkursion unter wissenschaftlicher Leitung des CIRT an den Tüttensee und in das Impakt-Museum in Grabenstätt zu machen. Die Geologen vom LfU könnten sich endlich ein Bild von einer der faszinierendsten geologischen Stellen der jüngsten geologischen Geschichte in Bayern machen. Das CIRT meint, dass dafür der Steuerzahler vermutlich Verständnis hätte.

Auch eine andere Sache im SPIEGEL online-Bericht soll noch nachgetragen werden. In der Bilderfolge zu diesem Bericht werden Luftbilder von der Eggstätter Seenplatte nordwestlich vom Chiemsee gezeigt, mit der Bildunterschrift, dass es sich dabei um vom CIRT angesehene Meteoritenkrater handele. Das ist unzutreffend. Die Aufnahmen wurden dem SPIEGEL bereits von mehreren Jahren in einem anderen Zusammenhang übergeben. Sie sollten dem SPIEGEL-Redakteur klar machen, dass die einfache morphologische Signatur einer wassergefüllten Hohlform nichts über ihre Genese aussagt, sondern dass erst intensive geologische, geophysikalische und mineralogische Untersuchungen dafür notwendig sind. Dieses Beispiel greifen wir aber gerne wieder auf im Zusammenhang mit dem Tüttensee, für den es diese intensiven Studien ja nun in der Tat gibt und mit denen der Toteisursprung widerlegt wird. Ob es sich bei der Eggstätter Seenplatte überhaupt um Toteissenken handelt, wie allgemein von den Eiszeitgeologen vor Ort angenommen, ist ohnehin fraglich. Seen im Alpenvorland können durch die verschiedensten Prozesse entstanden sein, und selbst Eiszeitforscher mahnen an, dass die eiszeitlichen Toteislöcher seit Generationen von Geologen und Geographen als reine Spekulation anzusehen seien, für die niemals Belege vorgelegt wurden. In diesem Zusammenhang ist die kluge wissenschaftliche Abhandlung von Manfred R. Martin „Zu den für die Eiszeitglaziologie wichtigen kleinen Hohlformen und zur Frage des Entstehens der Sölle; viademica.verlag, Berlin 2007“ zu nennen.

Und hier dazu der empfehlenswerte Link zur Internetseite von Manfred R. Martin: Forschungen zur Eiszeitglaziologie!

Neu in der Diskussion:

Streit um Meteoritenkrater im Chiemgau – Erwiderung des Chiemgau Impact Research Teams auf die Pressemitteilung des Bayerischen Landesamtes für Umwelt
Kurzfassung

In einer Pressemitteilung an die Deutsche Presseagentur dpa verweist Dr. Roland Eichhorn, Leiter der Geologieabteilung am Bayerischen Landesamt für Umwelt (= LfU), auf eine Internetpräsentation mit Resultaten des Amtes, die den Meteoriten-Einschlagcharakter des Tüttensees zurückweisen und den Toteisursprung erneut bekräftigen sollen.
Bei genauerem Hinsehen und Analyse der Internetpräsentation wird ersichtlich – für den normalen Leser kaum erkennbar – dass die Bodenproben, auf die sich die Argumentation des Amtes stützt, nicht, wie es die Pressemitteilung nahelegt, aus dem Kesselboden entnommen wurden, sondern vom Rand des Sees. Der Begriff „Kesselboden“ soll dem Leser wohl suggerieren, es handle sich um Proben aus der Mitte des Sees. Das Chiemgau Impact Research Team (= CIRT) hat bereits vor Jahren anhand einer eigenen Gravimetriemessung (Schwerkraftmessung) und Probenentnahmen, sowie Daten, die aus einer Seismikmessung (Sedimentecholot) zur Verfügung gestellt wurden, festgestellt, dass in der betreffenden Uferregion des Sees ungestörte Bodenverhältnisse anzutreffen sind. Das LfU hätte sich bei entsprechender Kommunikation mit dem CIRT viel Arbeit und den überflüssigen Einsatz von Steuergeldern ersparen können.
Die sowohl vom CIRT als auch jetzt vom LfU festgestellten Befunde überraschen das CIRT nicht. Dass das LfU meint, mit seinen Ergebnissen der Meteoritenkrater-Theorie des CIRT nun den Garaus gemacht zu haben, offenbart nur, dass das LfU keine Experten hat, die mit den komplizierten geophysikalischen Prozessen bei einem Meteoriteneinschlag vertraut wären. Warum die Befunde am Seeufer mit der Theorie eines Meteoriteneinschlags problemlos vereinbar sind, erläutert das CIRT auf seiner Webseite www.chiemgau-impakt.de.
Im Übrigen unterläuft dem LfU ein bemerkenswerter Argumentationsfehler: Eine Datierung kann nicht als Widerlegung eines Meteoriteneinschlags herhalten, sondern höchstens den Zeitpunkt des Ereignisses betreffen. Mit den geologisch-mineralogischen Nachweisen für einen Meteoriteneinschlag dagegen, die das CIRT zuhauf rund um den Tüttensee vorgefunden und in einem peer-reviewed wissenschaftlichen Aufsatz veröffentlich hat, hat sich das LfU nicht auseinandergesetzt.
Abschließend sei auf die eindeutig polemische Zielsetzung der Pressemitteilung des LfU verwiesen: Niemand vom CIRT und auch sonst kein ernst zu nehmender Forscher, wenn überhaupt irgendwer, hat jemals behauptet, dass der Tüttensee im Zusammenhang des sog. Clovis-Impakts in Nordamerika vor ca. 12.500 entstanden sei. Diese Äußerung kann nur als billige Stimmungsmache verstanden werden.
Die detaillierte Stellungnahme des CIRT zur Pressemitteilung des LfU können Sie hier anklicken: