Ein Impakthorizont bei Grabenstätt

Am östlichen Ortsrand von Grabenstätt wurde durch eine Baugrube und einen zusätzlichen Schurf auf einer Fläche von über 100 m² ein exotischer Gesteinshorizont freigelegt (Abb. 1), der mit den dort bekannten und vertrauten pleistozänen und holozänen Ablagerungen nichts gemeinsam hat. Die mehrere Dezimeter mächtige Ablagerung in einer Tiefe von grob 0,8 m ist komplex und in der Fläche nicht überall einheitlich aufgebaut. Als unmittelbar Liegendes treten grobe Kiese mit festen, harten, gut gerundeten Komponenten auf (Abb. 2). Der Horizont selbst beginnt mit einer Lage aus bräunlich bis schwarz verfärbtem Material, das aus zerbrochenen und stark zersetzten alpinen Geröllen in einer tonig-sandig-mergeligen Matrix besteht (Abb. 2, 3, 4). Bei teilweise zurückgehender Schwarzfärbung wird der polymikt-brecciöse Charakter der Ablagerung sichtbar (Abb. 5). Das auffälligste Merkmal ist die z.T. extreme Korrosion der Gerölle, die sämtliche Lithologien (Kalksteine, Sandsteine, Quarzite, metamorphe und magmatische Kristallingesteine) befallen hat (Abb. 6 A-D). Vielfach führt die Gesteinsauflösung zu skelettartigen Bildungen, hervorgerufen durch die größere Widerstandsfähigkeit von Quarzgängchen in den Geröllen. Kristallinkomponenten befinden sich in großer Zahl durchgehend in Auflösung; vielfach sind sie in situ zu einem Haufwerk von Glimmern zerfallen. Faustgroße Gneise können mit der bloßen Hand zerdrückt werden.

Festere Gerölle zeigen, daß die schwarze Ummantelung nicht abgewischt werden kann und eine teilweise Imprägnation das Gesteins erfaßt hat. Erste mineralogisch-petrographische Untersuchungen Untersuchungen haben röntgenographisch Graphit nachgewiesen. In einem der Gerölle wurden planare Deformationsstrukturen (PDFs) in Quarz als Anzeichen für eine Schockeinwirkung nachgewiesen. Weitere Untersuchungen werden gegenwärtig durchgeführt.

Über der Lage der starken Korrosion schließt sich eine polymikt-brecciöse Schicht mit überwiegend kleinstückigen, vielfach scharfkantig fragmentierten Komponenten an (Abb. 7). Sie ist partiell grob zweigeteilt mit einer nach oben leicht zunehmenden Zurundung der Komponenten. Im Hangenden folgt eine wieder dunkler gefärbte kiesige Lage (Abb. 8). In ihr wurden unter dem abschließenden Bodenhorizont reichlich Eisensilizide (darunter Gupeiit und Xifengit) nachgewiesen.

Vorläufige Deutung

Die Entstehung des beschriebenen exotischen Horizontes verlangt nach einer Erklärung, die nur schwer oder eher gar nicht mit geologischen Vorgängen des Pleistozän und Holozän in Einklang zu bringen ist. Das betrifft die kleinstückige Brecciierung der alpinen Gerölle, die horizontbeständige extreme Korrosion bis hin zur völligen Auflösung selbst silikatischer Gerölle sowie den Fund von Graphit in der Ummantelung von Geröllen. Eine Ablagerung im Zusammenhang mit dem Chiemgau-Impakt, wahrscheinlich zumindest partiell als Auswurfmassen (Ejekta) des Tüttensees, bietet sich als eine vernünftige Hypothese an.

Im Rahmen eines solchen Impaktmodels ist am leichtesten die polymikte, kleinstückig brecciierte Schicht zu verstehen, da Breccien der unterschiedlichsten Art bei jedem Impakt entstehen und grundsätzlich am Aufbau von Ejekta beteiligt sind.

Die Herkunft des Graphits ist weit weniger klar. Graphit steht im allgemeinen am Ende der sogenannten Inkohlungsreihe, das mit zunehmendem Druck und zunehmender Temperatur in der Erdkruste über Braunkohle, Steinkohle und Anthrazit erreicht wird. In höheren Stufen der Gesteinsmetamorphose bildet er sich darüber hinaus, wenn Sedimentgesteine mit organischen Gehalten unter den Einfluß erhöhter Drücke und Temperaturen geraten.Aus diesen Prozessen kann der Graphit in der Ummantelung der quartären Gerölle nicht bezogen werden, so daß eine Anlieferung beim Impakt wahrscheinlich ist. Weitergehende Untersuchungen laufen.

Für die extreme Korrosion bis hin zur teilweisen Auflösung der Gesteine kann ein Prozeß herangezogen werden, der in dieser Form bei Impakten noch nicht direkt beobachtet worden ist aber eine sehr plausible Erklärung abliefern würde. In der Impaktforschung gilt es als gesichert, daß sich in der gewaltigen Explosionswolke eines Impaktes reichlich Säuren bilden können.Während Salzsäure und Schwefelsäure aus vom Impakt betroffenen chemischen Sedimentgesteinen (Chloride, Sulfate) hergeleitet werden, sollte sich Salpetersäure in großen Mengen unter Beteiligung des Atmosphärenstickstoffs bilden.

Es ist vorstellbar, daß genau dieser Prozeß beim Chiemgau-Impakt abgelaufen ist: Eine Bildung großer Mengen von Salpetersäure in der gigantischen Explosionswolke des postulierten Kometen mit einem anschließenden Abregnen herab auf die dann der Zersetzung ausgelieferten Gesteine. Es wäre dann offensichtlich das erste Mal, daß Auswirkungen der beim Impakt theoretisch geforderten Salpetersäurebildung tatsächlich zu beobachten sind. Mit Experimenten zur Salpetersäurelösung alpiner Gerölle unterschiedlicher Lithologien wurde begonnen.

Bisher noch nicht klar ist, wie der zeitliche Ablauf der Ablagerung der verschiedenen Einheiten des Horizontes beim Impakt erfolgte. Kurzzeitige Umlagerungen, Flutwellen, multiple Einschläge – auch in den Chiemsee, selektive Lösung durch die Säure (z.B. von Eisensiliziden) sowie Einwirkungen späterer katastrophaler Regenfälle mit möglichen weiteren Flutwellen müssen bei einer Modellierung des Geschehens einbezogen werden.

 Abb. 1. Der Schurf bei Grabenstätt mit dem Impakthorizont. Der Impakthorizont wird als Auswurfmaterial (Ejekta) aus dem Tüttensee-Krater gedeutet.

Abb. 2. Interpretation der Schichtlagerung im Impakthorizont

Abb. 3. Interpretation des Impakthorizontes.

Abb. 4. Interpretation des brekziösen Impakthorizontes.

Abb. 5. Interpretation der Impaktschicht-Horizonte-B-C

Abb. 6. Verschiedene Aspekte der graphithaltigen Schicht aus dem Impakthorizont. Man beachte vor allem im ersten Bild unter dem dunklen Impakthorizont die normale Kiesschüttung mit völlig unverändert festen und gut gerundeten Komponenten.

Abb. 7. Nahaufnahme der graphithaltigen Schicht aus dem Impakthorizont.

Abb. 8. Aus dem graphithaltigen Impakthorizont geborgene Proben für mineralogisch-petrologische Untersuchungen.

Abb. 9 A – D. Stark korrodierte Komponenten unterschiedlicher Lithologie aus dem Impakthorizont. Die Korrosion wird auf Materialauflösung durch Salpetersäue-Niederschläge nach dem Impakt zurückgeführt.

Abb. 9 B. Stark korrodierte Komponente.

Abb. 9 C. Stark korrodierte Sandsteingerölle.

Abb. 9 D. Stark korrodiertes Sandsteingeröll.