Diskussion anderer Modelle

Die Krater

Sowohl für die Krater im Streufeld als auch für das eigenartige, mit ihnen assoziierte Material wurden eingehend Modelle diskutiert, die eine andere Entstehung als die durch den Impakt eines kosmischen Projektils annehmen.

Weder Vulkanismus noch Tektonik können für die geologische Zeit des Holozän und für die Phänomene in der Region des Streufeldes bemüht werden. Darüber hinaus erweisen sich die Krater als zufällig über Gebiete ganz unterschiedlicher Oberflächengeologie verteilt. In der Tiefe ansetzende Lösungs- und Einbruch-Prozesse wie Verkarstung mögen für solche Krater erwogen werden, die keinen Ringwall besitzen, scheiden aber für die Krater aus, die einen solchen Wall aufweisen.

Einige der größeren Krater im Streufeld, z.B. der Tüttensee, werden gewöhnlich als Toteismoränen angesehen. Toteiswannen entstehen durch das Schmelzen verschütteter Gletscherreste mit einem Nachsacken des abdeckenden Schottermaterials und haben im allgemeinen keinen Ringwall. In seltenen Fällen mögen Toteiswannen von Hügeln umgeben sein, die sich ringartig um die Wanne gruppieren. Man erklärt eine solche Konstellation durch unterschiedliches Schmelzen am Rande und im Zentrum der verborgenen Eismasse. Für den Ringwall um den Tüttenseekrater kann eine solche Entstehung ausgeschlossen werden, da eine große Zahl der ihn aufbauenden Gerölle extreme Deformationen aufweisen, die niemals einen Flußtransport überstanden hätten aber typisch für eine Impaktbeanspruchung sind (siehe dazu den Menüpunkt Tüttensee).

Für die unzähligen kleineren Krater mit Ringwall wird ohnehin keine Toteisgenese in Erwägung gezogen.

Ansammlungen von anscheinend von Menschen angelegten Vertiefungen mit einer ähnlichen Morphologie sind aus anderen Regionen in Deutschland wohlbekannt, wobei die Begriffe „Mardellen“ oder „Mare“ gebräuchlich sind (Weber 1909, Stechele 1911). Sie werden ebenfalls für Gebiete in Belgien, Luxemburg und Frankreich genannt (Van Werveke 1903; Barth & Löffler 1998, Barth 1996, Löhr 1985, 1986, Barth et al. 1996, Ginkel 1995, Wichmann 1903, und andere).

Eine klare und eindeutige Erklärung für ihren Ursprung und ihre Verwendung steht bisher aus. Abgesehen von geologischen Ursachen wurden bisher die folgenden Möglichkeiten vorgeschlagen:

Ausbeutung von Gesteinsmaterial (Kies, Ton, Lehm, Erze)
Wasserspeicher
Kohlemeiler
Kalkbrennöfen
Glashütten
Wohnanlagen
Offensichtlich kann man in einigen Fällen von einer Mehrzweckbenutzung ausgehen. Auf der anderen Seite hat man, soweit bekannt, eine Bildung als Meteoritenkrater nicht erwogen.

Im Chiemgau-Streufeld sind bisher in zwei der kleineren Krater menschliche Hinterlassenschaften gefunden worden (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege), wobei der Beweis aussteht, daß auch die Krater von Menschenhand geschaffen wurden. Es versteht sich, daß sich bereits existierende Krater dem Menschen für spezielle Zwecke anboten.

Darüber hinaus bereitet die Deutung der Krater im Chiemgau-Streufeld als das Ergebnis menschlicher Tätigkeiten grundsätzliche Probleme. Viele der Hohlformen befinden sich inmitten von Ackerland, was gegen Gesteins- und Erzgewinnung sowie gegen Wohnstätten spricht. Abgesehen von den Kratern, die mit Wasser gefüllt sind, kann die Verwendung als Wasserspeicher in den allermeisten Fällen ausgeschlossen werden. Der Grund ist die hohe Durchlässigkeit der quartären Schotterlagen, und eine Abdichtung aus beispielsweise Lehm hat man niemals in den Vertiefungen gefunden.

Bei flüchtiger Betrachtung zeigen einige der Krater eine gewisse Ähnlichkeit mit trichterförmigen Löchern, die von mittelalterlichem Limonit-Eisenerz-Bergbau mit zugehöriger Verhüttung wohlbekannt sind (z.B. Wolf 1986, Frei 1965/66). Etwa 40 km nördlich von Burghausen/Marktl (nördlicher Teil der Streuellipse), in der Nähe von Painten und Kelheim, besitzen diese Löcher Durchmesser zwischen 1 und 5 m, und dazu gehörige Kohlemeiler können 10 m im Durchmesser erreichen. Aber diese Beobachtungen können nicht die beachtliche Zahl von Kratern erklären, die Durchmesser zwischen 10 m und einigen 100 m besitzen. Darüber hinaus hat man bei den Kratern der Streuellipse nie Schächte beobachtet, genauso wenig wie andere menschliche Konstruktionen, weder innerhalb noch außerhalb der Hohlformen. Wir erwähnen auch das vollständige Fehlen von Schlackeblöcken mit Holzkohleabdrücken, wie sie so typisch im Zusammenhang mit Verhüttungsprozessen auftreten. (Bielenin 1977).

Überhaupt sind archäologische Funde innerhalb und außerhalb der Krater bemerkenswert spärlich. Und weder mündliche noch schriftliche Überlieferung hat je Bergbau- und Verhüttungsaktivitäten im Zusammenhang mit den Kratern und Hohlformen erwähnt.

Die massiven Gesteinsdeformationen, die man an den Geröllen der Krater beobachtet und die auch eine starke dynamische Beanspruchung einbeziehen (Spallation; siehe den Menüpunkt Makroskopische Deformationen), mögen mit einer explosiven Kraterbildung durch Artilleriebeschuß oder heftige Bombardierung in den beiden Weltkriegen in Verbindung gebracht werden. Es wurden jedoch niemals leicht zu diagnostizierende metallische Bombensplitter und auch keinerlei Sprengstoffreste im Streufeld gefunden. Es gibt keine einschlägigen Luftbilder, die die Alliierten im Zweiten Weltkrieg typischerweise immer von bombardierten Flächen aufgenommen haben. Selbst die gigantischen Mörser des Ersten Weltkriegs (Lusar 2001) oder die sogenannten „Grand Slam“- oder „Earthquake“- (Erdbeben-)Bomben des Zweiten Weltkrieges erzeugten Krater nicht größer als 66 m bzw. 43 m im Durchmesser (Battlefield Guide 2000). Mehr noch, weder Augenzeugen noch Archiv-Niederschriften haben je irgendeine Bombardierung oder Artilleriefeuer erwähnt. Bedenken wir ferner, daß sehr viele 120 Jahre alte Bäume in vielen der Krater stehen (pers. Mitteilung Forstamt Altötting), so muß deren Entstehung im Ersten Weltkrieg oder später ohnehin ausgeschlossen werden.

Zusammengefaßt läßt sich formulieren, daß für den größten Teil der Krater ein menschlicher Ursprung praktisch ausgeschlossen werden kann, und in seltenen Fällen mag das Sprichwort von der die Regel bestätigenden Ausnahme zutreffen.

Das eigenartige Material

Als Alternative zur Hypothese eines kosmischen Ursprungs des ungewöhnlichen, mit den Kratern assoziierten Materials muß eine Herkunft aus industriellen und örtlichen Verhüttungsprozessen und/oder aus Düngeranwendung zumindest in Betracht gezogen werden. Wir erörtern diese Möglichkeiten, obgleich der Großteil der Fundumstände (unter den Baumwurzeln uralter Bäume, in völlig ungestörten, dezimetertiefen Bodenschichten, unter einem datierbaren Münzschatz, in den Bergen auf 1200 m NN, in ungestörten Torfablagerungen usw.) eindeutig dagegen spricht.

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Gemäß der obigen Erörterung der Kraterbildung ziehen wir den Schluß, daß einfache Eisenverhüttung als Produktionsprozeß für das schlackeähnliche Material den Beobachtungen nicht gerecht wird. Darüber hinaus fehlen die hohen Gehalte an Fayalit, Wüstit und FeO, die man in gewöhnlichen Brennöfen erwarten würde (Bielenin 1977, Wolf 1986, Sperl 1981).

Eisensilizide (FeXSiY).

In der Natur sind die Eisensilizid-Minerale Fe3Si (Gupeiit) and Fe5Si3 (Xifengit) extrem selten, und nur wenige Einzelfunde sind bekannt geworden (Jambor et al. 2002, Rudashevskii 1995). Der Grund: Eisensilizide können sich nur in extrem reduzierendem, Sauerstoff-armem Milieu bilden, das als natürliches Milieu auf der Erde kaum vorkommt. Eine Ausnahme ist eine kleine PGE-Lagerstätte in Verbindung mit Ultrabasit-Intrusionen im Ural bei Nizhne Tagil, von der auch Gupeiit beschrieben wird.

Fe3Si and FeSi hat man in Fulguriten (= durch Blitzeinschläge in Sandböden zu Glas geschmolzene röhrenförmige Gebilde) nachgewiesen (Heinrich 2001; siehe auch Sheffer et al. 2003). Die Autoren denken an kurzzeitig wirkende Bildungstemperaturen von über 1710 °C. Wegen der großflächigen Verteilung der Eisensilizide über tausende von Quadratkilometern kann eine Herkunft aus Blitzeinschlägen mit Fulguritbildung vernünftigerweise ausgeschlossen werden.

Die erste künstliche Herstellung von Eisensilizium durch J.J. Berzelius geht zurück auf das Jahr 1810 (Reller et al. 2000). Aber erst zu Beginn des 20. Jh. begann eine Großproduktion von FeSi (Reller et al. 2000). Heute wird es in Stahllegierungen verwendet.

Xifengit:

Es gelang überhaupt erst 1997, Xifengit synthetisch herzustellen (Li et al. 1997), trotz der interessanten magnetischen Eigenschaften (Hines et al 1976). Eine nennenswerte industrielle Produktion gibt es bis heute nicht. Forschungen zu Xifengit existieren an der Hanyang-Universität (Korea) (nanokristalline Fe-Si-Legierungen als Dünnschichten).

Kürzlich wurde aus Norwegen berichtet, daß man in einem kleinen Bohrkern aus der Wandung eines Koksofens Spuren von Xifengit analysiert hat.

Gupeiit:

Gupeiit wird schon etwas länger synthetisiert (seit den 50er Jahren des 20.Jh.). Es wird als Pulver von der Fa. Ospray Metals Ltd, UK, angeboten. Forschungen zu Gupeiit im Entwicklungsstadium gibt es an der Wuhan University, VR China, und an der Hanyang-Universität, Korea (s.o.).

Nachforschungen bei SKW Süddeutsche Kalkstickstoff-Werke:

Wegen der Möglichkeit, daß Eisensilizide aus der Streuellipse wissentlich oder unwissentlich aus Werken der heimischen Industrie in größeren Mengen ausgebracht worden sein könnten, wurde bei sehr großem Entgegenkommen der SKW-Werke umfangreiche Erkundungen vorgenommen.

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg gab es bei der SKW eine Produktion von Ca-Carbid und Kalkstickstoff. Abfall dabei war das sog. FESI mit hohen Fe-Gehalten und Gehalten an Fe-Carbid, feinstgemahlen oder mit dem Magnetscheider separiert.
Ab 1945 erfolgte eine Herstellung von FESI 75 für die Stahlindustrie mit einer Zusammensetzung von 20 % Fe, 75 % Si sowie 5 % Al und Ca.
Heute wird fast nur noch FESI hergestellt, das mit Mg, Ba, Mn oder anderen Elementen dotiert ist.
Wichtig ist ein intensives Recycling wegen der sehr hohen Produktionskosten
Ebenfalls wichtig: Xifengit und Gupeiit sind in der Produktions- und Abfallpalette unbekannt.
Titankarbid (TiC)

Das in der Chiemgau-Streuellipse regelmäßig zusammen mit den Eisensiliziden analysierte reine Titankarbid ist in der irdischen Lithosphäre bisher unbekannt. Eine künstliche Herstellung ist jedoch seit den 30er Jahren des 20. Jh. möglich (Mitteilung Treibacher Industrie, Österreich). Industrielles Titankarbid wird gewöhnlich aus einer Mischung von Titandioxid und Kohlenstoff in einem Induktionsofen hergestellt: TiO2 + 3 C = TiC + 2 CO (Weiland 1996). Seit 1995 gibt es eine weitere Produktionsmöglichkeit (IMTA, US Pat No. 5,417,952) mit den Ausgangsstoffen TiO2 und C3H6.

TiC ist ein sehr ungewöhnliches Material, das sich durch einen hohen Schmelzpunkt (3050 – 3230 °C), eine extreme Härte sowie eine hohe Korrosions- und Oxidationsbeständigkeit auszeichnet.

Aluminiumsilizide (AlXSiY):

Wie das Titankarbid sind auch die im Streufeld nachgewiesenen Aluminiumsilizide keine sonst natürlich vorkommenden Minerale. Aber auch sie können industriell hergestellt werden, und zwar in der Form AlX=1SiY (Mitteilung UMEC, Ukraine). In den letzten zwei bis drei Dekaden sind die Eigenschaften und Produktionstechniken eingehend studiert worden (Ejifor & Reddy 1997). Es gibt hypoeutektische, eutektische und hypereutektische Al-Si Systeme (Teu = 577°C). In aller Regel werden Elemente wie Cu, Mg, Fe, Ni, Zn und andere hinzugefügt, um die gewünschten Materialeigenschaften zu erzielen.

Aus dem metallischen Material des Chiemgau-Streufeldes wurde ein kleines Stück AlXSiY , wahrscheinlich AlSi2 oder AlSi3 eines hypereutektischen Al-Si-Systems analysiert mit dem Ergebnis, daß kein anderes Element, auch nicht Sauerstoff vorhanden ist. Wegen der extremen Reinheit dieser Verbindung aus dem Aluminiumsilizid-Material von Burghausen-Marktl ist eine Herkunft aus industrieller Produktion extrem unwahrscheinlich.

Zusammenfassung:

Sehen wir von den FeSi- und Fe3Si-Vorkommen in Fulguriten ab, auch von den diskutierten und teilweise unbestätigten seltenen Vorkommen von Fe5Si3, so konstatieren wir, daß Eisensilizide, Titankarbid und Aluminiumsilizide als irdische Minerale unbekannt sind, aber daß man sie industriell herstellen kann.

An dieser Stelle ist es wichtig, den meist enormen technischen Aufwand und die hohen Kosten anzuführen, was erklärt, daß eine industrielle Produktion im Großen nicht vor Mitte des 20. Jh. erfolgte.

Nehmen wir an, daß das eigenartige Material aus der Streuellipse industrieller Abfall ist, dann konnte dieser – im Hinblick auf einfaches FeSi – nicht vor Beginn des 20. Jh. produziert worden sein, im Hinblick auf TiC nicht vor den frühen 50er Jahren des 20. Jh. und im Hinblick auf Gupeiit und insbesondere Xifengit nicht vor Ende des letzten Jahrhunderts.

Eingedenk dieser Zeitgrenzen ist ein menschliches Ausbringen dieses extrem seltenen und extrem wertvollen Materials in großen Mengen, über riesige Flächen verstreut und in Tiefen von einigen Dezimetern unter dem Boden grundsätzlich unerklärlich.

Ferner: Die Annahme, daß Xifengit ein Abfallprodukt einer vollkommen unbekannten industriellen Aktivität sein soll, ist absolut unverträglich mit dem erwiesenermaßen zunehmenden Interesse an diesem besonderen Material, insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichen wirtschaftlichen Bedeutung.

Wir erinnern weiterhin an die Tatsache, daß im Hinblick auf das Alter von Bäumen die Xifengit-Ablagerungen im südbayerischen Kraterstreufeld älter als 120 Jahre sein müssen. Zu Ende des 19.Jh. sind aber menschliche Aktivitäten zur Produktion enormer Mengen von Xifengit absolut unbekannt.

Folglich sind wir gezwungen, dieses Szenario zu konstruieren: Das ungewöhnliche Material aus dem Kraterstreufeld stammt aus einer modernen High-Tech-Industrie, die in einem extrem kostenintensiven Prozess dieses Material produziert, um es dann aber zu entsorgen, vollkommen unbeobachtet von der Öffentlichkeit, über eine Fläche von mindesten 3000 km², bis hinauf in die Berghöhen und bis in eine Tiefe von mindestens 20 cm unter dem Boden. Der Leser sei ermutigt, die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios nachzuvollziehen!

Wir können auch diskutieren, daß das Material aus einer völlig unbekannten fernen Quelle stammt. Aber der Transport der größeren Partikel (einige Zentimeter lang) verlangt nach extremen Windstärken, und es ist unbegreiflich, wie ein solcher Niederschlag der örtlichen Bevölkerung entgehen konnte, die sich andererseits sehr wohl daran erinnert, daß es vor 25 Jahren einen Niederschlag von Wüstenstaub aus der Sahara gab und vor etwa 40 Jahren den Niederschlag eines industriellen Staubes wegen eines defekten Filters.

Schließlich haben wir noch etwa 50 Landwirte der Region befragt, die Ackerland und Wälder bewirtschaften, wo das fremdartige Material besonders angereichert ist, ob sie es als Bodenverbesserer einsetzen würden oder ob es ihnen sonst bekannt sei. Unisono war die Versicherung, daß sie niemals ein solches Material gesehen hätten. Und als ihnen die extreme Härte vorgeführt wurde, meinten sie, daß sie damit nur ihre landwirtschaftlichen Maschinen ruiniert hätten.

So kommen wir zu dem Schluß, daß eine menschliche Herkunft des eigenartigen Materials jenseits jeglicher vernünftigen Argumentation liegt. In Verbindung mit der Ansammlung der Krater, für die wir einen menschlichen Ursprung ebenfalls ausschließen, ist ein kosmisches Phänomen die einfachste und wahrscheinlichste Erklärung.