Mineralogisch-petrographische und geochemische Untersuchungen

Seit der ursprünglichen Veröffentlichung auf dieser Webseite sind neue Erkenntnisse hinzugekommen: 

— Neue Untersuchungen und Analysen des besonderen metallischen Materials, das ursprünglich die Entdecker auf die Spur des Meteoriteneinschlags gebracht hatte, haben mittlerweile eine Unmenge aufregender Einblicke in die sehr variablen Zusammensetzungen verschafft, dank modernster Methoden der Raster- (REM) und Transmissions(TEM)-Elektronenmikroskopie, eingesetzt bei Carl Zeiss Nano Technology Systems GmbH, Oberkochen, (Dr. M.Hiltl) und Oxford Instruments GmbH NanoScience, Wiesbaden, (Dr. F. Bauer).

Nach diesen Analysen der Spitzenqualität ist klar geworden, dass zumindest ein ganz wesentlicher Teil der Eisensilizide aus dem Kraterstreufeld nie und nimmer irgendeinem industriellen Prozess zugeschrieben werden kann, was ziemlich vorschnell behauptet und publiziert wurde, nachdem eine Probe (dieselbe nunmehr auch neu mit REM und TEM analysiert) offenbar nur rasch und oberflächlich untersucht worden war (K.T. Fehr, R. Hochleitner, S. Hölzl, E. Geiss, J. Pohl, and J. Faßbinder: Ferrosilizium-Pseudometeorite aus dem Raum Burghausen, Bayern. Der Aufschluß, 55. – 2004. – P. 297-303.

Auch ein überarbeiteter Text zu den Eisensiliziden von Prof. Uli Schüssler (http://www.uli-schuessler.de/eisensilizide.html), der sich augenscheinlich von seiner früheren Forschung zum Chiemgau-Impakt (siehe den nachfolgenden ursprünglichen Beitrag mit Link zu einem Artikel von Schüssler) losgesagt und sogar diesbezügliche Publikationen aus seiner Publikationsliste entfernt hat, fixiert sich ganz auf einen industriellen Ursprung.

Einen kleinen Eindruck von den mittelerweile aber viel umfangreicheren Analyseergebnissen vermittelt der Abstract-Artikel von der Lunar & Planetary Science Conference 2011, der hier angeklickt werden kann:  http://www.lpi.usra.edu/meetings/lpsc2011/pdf/1391.pdf

Bilder aus dem LPSC-Artikel.

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Mineralogisch-petrographische und geochemische Untersuchungen (ursprünglicher Beitrag)

Seit der ersten online-Veröffentlichung über den „Kometen vom Chiemgau“ durch die amerikanische Zeitschrift Astronomy und dem ersten ausführlicheren Internetartikel (Rappenglück et al. 2004) ist ein umfangreiches Programm mineralogisch-petrographischer und geochemischer Untersuchungen an Gesteinen und Material aus der Streuellipse und ihrer Umgebung durchgeführt worden. Die Arbeiten (Dünnschliff-Petrographie, Mikrosonden- und Röntgenstrahlen-Analysen, Analytik am Rasterelektronenmikroskop usw.) erfolgten vornehmlich am Institut für Mineralogie der Universität Würzburg, untergeordnet bei Carl Zeiss SMT, Oberkochen.

Außer vom CIRT gezielt entnommenem Material wurde eine größere Zahl von Proben analysiert, die interessierte und aufmerksame Zeitgenossen gefunden und uns übermittelt haben. Bei nicht allen Proben sind wir bisher zu schlüssigen Resultaten gekommen; bei einigen stehen weitergehende Untersuchungen aus.

Einen Komplex, der u.a. bisher sehr detailliert untersucht wurde, stellen die lithologisch sehr vielfältigen, mechanisch und thermisch stark beanspruchten Gerölle aus Kratern im nördlichen Bereich des Impakt-Areals dar (Abb. 1, 2, 3). 17 Geröllproben wurden mit Dünnschliffen und Mikrosonde analysiert (Institut für Mineralogie der Universität Würzburg). Die Gerölle aus den Molassesedimenten repräsentieren gängige Gesteine aus den Alpen wie Quarzite oder basische Metamorphite. Die Dünnschliffe zeigen deutlich eine Schockmetamorphose bei hohen Temperaturen und Drücken. Wir beobachten multiple Scharen von planaren Deformationsstrukturen (PDFs, Abb. 3) in Quarz und Feldspat, diaplektisches SiO2-Glas und extreme Subkornbildung. Extremes Auftreten von offenen und glasgefüllten Zugbrüchen in den Geröllen und in einzelnen Quarzkörnern deutet auf Spallation durch dynamische Schockimpulse. Schmelzgläser finden sich in drei verschiedenen Ausbildungen: als dünne Glaskrusten (Abb.1), die in vielen Fällen die Gerölle vollständig überziehen, als blasiges und teilweise rekristallisiertes Feldspatglas (Abb. 2), das Quarzite vollständig durchsetzt, und als auf die Gerölle aufgekleckste Schmelzbatzen aus Fremdmaterial.


Abb. 1. Vollständig mit Glas ummanteltes Geröll aus Krater 004 (links). Rechts: Nahaufnahme. Das farblos bis grünliche Glas enthält zahllose winzige Bläschen. Breite des Ausschnitts 22 mm.

Die Glasüberzüge haben sich wahrscheinlich gebildet, als die bei der Kraterbildung ausgeworfenen Gerölle in die überhitzte Explosionswolke hineinflogen. Da dieses Glas stark an Kalium und Natrium angereichert ist, was sonst in den Geröllen praktisch nicht vorkommt, muß eine externe Anlieferung angenommen werden. Ein Beitrag aus verglühter oder verdampfter Vegetation muß in Betracht gezogen werden.


Abb. 2. Links: Anschnitt eines thermisch geschockten Quarzit-Gerölls aus dem 11 m messenden Krater 004. Man beachte die dunklen Streifen aus teilweise rekristallisiertem Feldspat-Glas, die dem Gestein ein gneis-ähnliches Aussehen vermitteln. Rechts: Nahaufnahme. Dunkles und farbloses Feldspat-Glas zusammen mit hellen Quarzkörnern. Das Aufnahmefeld ist 3 mm breit.

Abb. 3. Zwei scharen planare Deformationsstrukturen (PDFs) in Quarz als Ausdruck von Schockbeanspruchung. Aus einem Geröll in Krater 004. Das Feld ist 1,5 mm breit

Die Geländebeobachtungen und die Laboruntersuchungen schließen normale tektonische Prozesse und anthropogene Einwirkungen völlig aus und sprechen eindeutig für ein Impaktereignis. Ein ausführlicher Artikel zu diesen Untersuchungen kann hier Petrographie und Geochemie angeklickt werden.

Weitere Hinweise auf hohe Temperaturen geben die Funde weißer, hochporöser Karbonat-Klasten (Abb. 4). Wir interpretieren sie als Kristallisationsprodukte einer Karbonatschmelze aus der Aufschmelzung von Kalkstein-Geröllen. Sehr ähnliches schaumiges Karbonat-Material, ebenfalls als Relikte von Karbonatschmelzen gedeutet, wird für die Impaktstrukturen von Azuara und Rubielos de la Cérida beschrieben (Ernstson & Claudin 2002; siehe auch Grieve & Spray 2003). Anders als silikatische Gesteine können Karbonate nicht zu Glas abgeschreckt werden. Stattdessen kristallisieren sie beim Abkühlen sehr schnell aus, um wieder zu Calcit/Aragonit zu werden. Typisch ist dann z.B. das Auftreten von dendritischen Kristalliten. In den hier beschriebenen weißen Karbonatmassen finden sich auch Relikte von Calcit-Kristallen mit Mikrozwillingsbildung, die ebenfalls als Schockindikator gilt (Metzler et al. 1988, und weitere Zitate dort). Weiter unten beschreiben wir solche hochporösen Karbonat-Klasten, die mit Eisensilizid-Splittern gespickt sind.

Abb. 4. Extrem poröse Karbonat-Klasten werden als Kristallisationsprodukte aus einer Karbonatschmelze gedeutet.

Eine besondere Material-Gruppe stellen die metallischen Partikel dar, die ursprünglich die Entdecker auf die Spur des Impaktes gebracht hatten und die mittlerweile über die gesamte Fläche des Kraterstreufeldes und in einem begleitenden Halo, insgesamt auf einer Fläche von über 3000 km², nachgewiesen wurden.

Metallische Stücke bis zu einer Größe von 10 cm, in der Regel aber nur sehr klein bis zu einer Fraktion von feinem Sand, zeigen sich ohne jegliche Oxidationsspuren, besitzen eine Dichte von 6,3 g/cm³ und eine Mohs’sche Härte von 6-8. Aerodynamische und Abspratz-Formen sind häufig (Abb. 5).


Abb. 5. Typische Formen größerer Partikel von metallischen Eisensiliziden.

In der Analyse erweisen sie sich als Eisensilizide unterschiedlicher Eisen-Silizium Verhältnisse, FeXSiY, mit verschiedenen Einschlüssen, darunter Titankarbid, TiC, Alpha-Eisen und Aluminium-Silizid, AlXSiY. Auch in den oben beschriebenen hochporösen Karbonatklasten, die aus einer Karbonatschmelze abgeleitet werden, finden sich die metallischen Eisensilizide als Einschlüsse (Abb. 6).

Abb. 6. Hochporöses karbonatisches Material gespickt mit winzigen metallischen Partikeln. Die Pfeile markieren größere Einschlüsse. Länge der Probe 5 cm.

Dieses sehr eigenartige metallische Material, das offenbar eng mit den Kratern des Streufeldes vergesellschaftet ist, wurde – nach früheren Untersuchungen an Funden im nördlichen Areal (Beer 2003, Rösler et al. 2004, 2005, Schryvers & Raeymakers 2005) – erneut am Institut für Mineralogie der Universität Würzburg analysiert, und zwar für Fundorte in der gesamten Streuellipse bis in Hochlagen (1200 m NN) der allerersten Alpenkette.

Regelmäßig werden Verwachsungen der Eisensilizid-Minerale Gupeiit, Fe3Si1 , und Xifengit, Fe5Si3 , beobachtet (Abb. 7, 8), und häufig schwimmen Kristalle von Titan-Karbid, TiC , in einer Gupeiit-Matrix (Abb. 9, 10).

Die Minerale Gupeiit und Xifengit wurden eindeutig mit eine Röntgen-Analyse identifiziert (Abb. 11). Die Möglichkeiten einer industriellen Herkunft der Eisensilizide und des Titankarbid werden ausführlich diskutiert unter dem Menüpunkt Diskussion anderer Modelle sowie nach neuesten Untersuchungen – HIER.

Abb. 7. Gelängte dunkle Xifengit-Kristalle (x) in einer Matrix aus Gupeiit (g). Erzanschliff im Auflichtmikroskop.

Abb. 8. Kristall des Eisensilizids Fe1Si1 ummantelt von Xifengit; beide schwimmen in einer Matrix aus Gupeiit. Erzanschliff im Auflichtmikroskop.

Abb. 9. Gelängte dunkle Xifengit-Kristalle (x) und Titankarbid-Einschlüsse (tc) in einer Gupeiit-Matrix (g). Erzanschliff im Auflichtmikroskop.

Abb. 10. Dreieckige Anschnitte von Titankarbidkristallen in einer Gupeiit-Matrix Erzanschliff im Auflichtmikroskop.

Abb. 11. Pulverdiffraktogramm einer Eisensilizidprobe mit typischen Reflexen von Xifengit, Gupeiit und Titankarbid.