Übersetzung des Kommentars von Ferran Claudin

Ferran Claudin i Botinas: Kommentar zu „“THERE IS NO EVIDENCE SUPPORTING A “CHIEMGAU IMPACT” („Es gibt keine Anzeichen für einen Chiemgau-Impakt“) [Übersetzung aus dem Spanischen]

 

1 Einführung

Selbst über Impakte arbeitend und Kord Ernstson, einem der Verfechter des Chiemgau-Impaktereignisses, verbunden, habe ich die Presseerklärung mit ziemlicher Empörung gelesen. Das hier zu analysierende Geschriebene (Pamphlet [1]), unterschrieben von angesehenen Impaktforschern, kommt zum Schluss, dass der Chiemgau-Impakt immer mehr Bedeutung in den Medien bekommt (die, s.st., „nicht wissenschaftlich“ seien).

Im genannten Schreiben (Pamphlet), verneinen die Autoren den Impaktursprung und verweisen auf:

a) kein meteoritisches Material

b) keine Impaktschmelze

c) keine Schockmetamorphose

d) den glazialen Ursprung (Toteiskessel) für die meisten der Krater von CIRT, aber eigenartigerweise nicht für die von Fehr et al.

e) Die Größe und Verteilung der Krater, die nicht mit denen der anerkannten Kraterfeldern übereinstimmt

f) die Veröffentlichung der Ergebnisse des CIRT nur in Zeitschriften ohne peer-review.

All diese Argumente, rasch und ohne weiteres Nachdenken gelesen, zusammen mit der wissenschaftlichen Reputation der Unterzeichner, beeindrucken und scheinen die Waagschale in Richtung der Meinung der Impaktgegner zu verlagern.

Aber was eigenartigerweise auffällt: Die Autoren, die einen Impakt verneinen, bringen in den Literaturzitaten am Ende der Erklärung auch ein Zitat, das im Text überhaupt nicht angesprochen wird. Und das ist vor allem der Grund, wie ich weiter unten rechtfertigen werde, warum ich das Geschriebene als ein Pamphlet bezeichne.

1. Analyse der Argumente, die gegen einen Impakt vorgebracht werden

Für jeden, der die Webseite  http://www.chiemgau-impact.com/ [bzw. www.chiemgau-impakt.de – der Übers.] besucht und dort sämtliche dort zusammengestellten Informationen gelesen hat, bleiben mehrere der Behauptungen [der Presseerklärung – der Übers.] erstaunlich.

Was das angebliche Fehlen der Schockeffekte anbetrifft: Auf Grund welcher Untersuchungen basiert diese Behauptung? Die Impaktbefürworter weisen die Schockeffekte nach, dokumentieren und illustrieren sie. Ihre Gegner beschränken sich allein darauf, das zu leugnen. Aber auf welcher Grundlage wovon? Mit welchen Beweisen?

Was die Impaktschmelzen anbetrifft: Wie sollen wir die Glaskrusten einiger Klasten ansehen? Die vom CIRT durchgeführten geochemischen und mikroskopischen Analysen dokumentieren und beweisen, dass es sich um Schmelzkrusten handelt. Warum unterschlagen die Unterzeichner der Presseerklärung (und zitieren es nicht), dass eine andere Forschergruppe, die im Chiemgau arbeitet, über Schmelzgesteine in einem der Krater aus dem Streufeld publiziert hat (Rösler 2006)?

Es stellt sich wieder dieselbe Frage: Auf welcher Grundlage leugnen die Impaktgegner diese Befunde? Haben sie neue Resultate, die wir nicht kennen aber die vielleicht veröffentlicht werden sollen – aber warum werden die dann nicht zitiert?

Und was die Größe und Verteilung der Krater anbetrifft, die nicht mit den Daten für die heute bekannten Streufelder einhergehen: das klingt so, als ob man die Realität an Modelle anpassen möchte – und nicht umgekehrt. Das verhält sich genauso wie mit der Behauptung, dass bei großen Impaktstrukturen Reste des Projektils nicht überleben können – bis man in der Morokweng-Struktur makroskopisch meteoritisches Material fand und nunmehr alle bisher anerkannten Modelle das berücksichtigen müssen. Zieht man in Betracht, dass möglicherweise – wie es Forscher der Holocene Impact Working Group tun – die Auflistung junger Krater ziemlich unvollständig ist, weil man bisher viele Strukturen einfach übersehen hat? Falls das zutrifft, müssen die Statistiken und folglich die Modelle geändert werden.  Modelle sind was sie sind: Modelle … Versuche, die Realität abzubilden auf der Basis einer Reihe von Prämissen … mehr nicht. Sie sind nicht die Wahrheit und schon gar nicht die Realität. Ihnen einen Wert beizumessen über das hinaus, was sie repräsentieren, klingt, sie wie Götter zu rühmen.

Die Behauptung, der Großteil der Krater seien Eiszeitkessel, verträgt sich mit nichts, was von CIRT auf deren Webseite abgehandelt wird. Wie rechtfertigen sie (die Unterzeichner – der Übers.) diese Behauptung angesichts der makroskopischen und mineralogischen Charakteristika, die die Krater aufweisen? Wie wird diese Behauptung im Hinblick auf die geophysikalischen Daten gerechtfertigt?

Schließlich eine „saftige“ Behauptung: Sie (CIRT – der Übers.) haben ihre Ergebnisse nicht in peer-review-Zeitschriften publiziert. Ja und? Was soll damit angedeutet werden? Dass sie sich nicht trauen, sie bestätigen zu lassen? Wollen die Unterzeichner damit sagen, dass eine Publikation nicht wissenschaftlich ist, solange sie nicht ein peer-review durchgemacht hat? Wollen sie damit andeuten, dass die CIRT-Autoren eine Hypothese einfach nur mal so erfunden haben? Bis jetzt und im Hinblick auf die durchgeführten Untersuchungen und die beigebrachten Daten, meine ich, dass es niemanden gibt, der den wissenschaftlichen Wert des CIRT leugnen kann. Eine andere Sache ist es, ob die Resultate korrekt sind oder nicht – eine Sache, die anhand von Beweisen und Interpretationen erhellt werden muss, also auf wissenschaftliche Art und Weise. Andererseits ist die Behauptung insofern nicht wahr, als ein Teil der Ergebnisse durchaus in Review-Zeitschriften steht, wie man auf der Webseite des CIRT lesen kann.

3. Warum spreche ich von einem Pamphlet?

Im Spanischen versteht man unter „libelo“ (Pamphlet) alles Geschriebene, das irgendjemanden direkt oder indirekt diffamiert. Und entsprechend versteht man unter diffamieren, wenn man über jemanden Sachen äußert bezogen auf seine Moral und Rechtschaffenheit, die ernsthaft seinen guten Ruf beschädigen, ihn herabsetzen.

Nach allem, was ich bisher geschrieben habe, möchte ich die Aufmerksamkeit auf zwei Behauptungen der Impaktgegner lenken: darauf, dass die Impaktbefürworter nicht in peer-review-Zeitschriften publizieren, und darauf, dass es keine Schockeffekte gibt. Beide sind für mich die definitiven Beweise, die es mir erlauben, von einem Pamphlet zu sprechen.

Die erste Behauptung, sie hätten nicht in peer-review-Zeitschriften veröffentlicht (auch wenn das nicht ganz sicher ist – siehe: http://www.chiemgau-impact.com/reply.html) unterstellt, dass wenn man nicht  peer-reviewed publiziert, das Geschriebene nicht weiter beachtet werden muss, da es nicht wissenschaftlich ist. Ohne auf Einzelheiten einzugehen: Betroffene wären Darwin, Mendel und andere hervorragende Wissenschaftler, wenn es damals schon so gewesen wäre (… aber in der Zeit gab es die Person des Referee nicht). Dass ein Referee eine effektive Methode ist und war, die Spreu vom Weizen zu trennen, also das was eine wissenschaftliche Basis hat von dem, was sie nicht hat …. keine Frage: einverstanden! Gleichzeitig aber ist es wahr, dass sich der Referee mittlerweile in ein Monstrum mit diversen Köpfen verwandelt hat. Viele Wissenschaftler sehen ihre Arbeiten blockiert, weil es Situationen gibt (und zwar nicht wenige; siehe Martin 1999), in denen der Referee dazu benutzt wird, als Filter zu agieren, um einer dominanten Gruppe ihren status quo zu garantieren.

Ich möchte annehmen, dass kein Wissenschaftler heute derart naiv ist, die Wissenschaft allein als einen Betrieb anzusehen, der sich auf Skepsis und die Öffnung gegenüber neuen Ideen gründet, in dem aber die Überprüfung von Argumentation und Erkenntnis nur durch die eigenen Verdienste gerechtfertigt wird. Das wäre (unter anderen Konzepten) ein Betrieb oder eine Gemeinschaft des Nutzens (im Sinne von Barnes 1977, wo der Nutzen Geld, Macht, Status, Privilegien und andere Vorteile sein können). Innerhalb dieses Konzeptes werden Personen (und ihre Ideen), die vorhaben, den konventionellen Blickwinkel zu ändern, oftmals zuallererst ignoriert, dann beschimpft (diffamiert, herabgewürdigt), und wenn das alles nicht funktioniert, durch Personen der herrschenden Gruppe attackiert (mittels Ostrazismus, exzessiver Begutachterung, Blockierung von Publikationen, Abweisung von Projekten, Blockierung von Unterstützungen, Entlassung …). Genau dieser Zusammenhang ist es, in dem ich die Presseerklärung gegen die Chiemgau-Hypothese ansiedle. Und nicht ohne einen gewissen Schmerz  stelle ich fest: einige der Unterzeichner waren (und werden es auch sein) eine wissenschaftliche Instanz erster Ordnung in meinem Bildungsgang. Wäre die Presseerklärung auf der Basis wissenschaftlicher Beweise ergangen, ich hätte nur unter dem Blickwinkel diskutieren müssen, wie die Wissenschaft im allgemeinen vorgeht (konkret die dominanten Gruppen)

Was die zweite Behauptung angeht, die angebliche Nichtexistenz von Schockmetamorphose … ich hoffe, dass das niemandem entgeht, und deshalb verdeutliche ich es nochmal in dieser meiner Replik: der Umstand, dass in der Bibliographie der Presseerklärung eine Publikation von Langenhorst & Deutsch (1996) angeführt wird. Auf diese Publikation wird im Text nicht eingegangen. Warum wird sie dort nicht zitiert? Ich könnte diverse plausible Erklärungen anführen, aber an dieser Stelle des Films fällt mir schlicht nur eine einzige ein. Ohne auch die nur geringste Art von fair-play zuzubilligen, das sie selbst  nicht mehr verdienen, deuten sie an, dass einer der Autoren vom CIRT – konkret K.Ernstson – in Azuara gearbeitet hat, und in Azuara, so Langenhort & Deutsch gibt es keine Anzeichen von Schock, and damit gibt es sie auch nicht im Chiemgau. Anders ausgedrückt: Alle Forschungen der CIRT-Gruppe taugen nichts. Ein Äquivalent des einer für alle und alle für einen der Musketiere mit neuem Sinn. Die Gruppe, in der sich Ernstson befindet, ist unfähig, Schockeffekte zu erkennen und zu dokumentieren. Der Trick ist leicht zu durchschauen: Die Gruppe, die die Macht hat, macht den Topf mit den Essenzen auf und greift ins Volle, wie bei vielen andere Gelegenheiten des Diffamierens. Was die Azuara-Sache anbelangt, haben Langenhorst und Deutsch den Vorwurf der wissenschaftlichen Unehrlichkeit einstecken müssen (die Antwort auf das „warum“ steht hier http://www.impaktstrukturen.de/spain/die-azuara-impaktstruktur/schockmetamorphose/). Offenbar wandelt die Presseerklärung auch auf dieser Linie.

 

Perfundet omnia lucet

Ferran Claudin i Botinas.

Sta Mª de Palautordera, a 6 de Diciembre del 2006.

 

 

 

 

Zitierte Literatur:

Langenhorst, F. & Deutsch, A. (1996): The Azuara and Rubielos structures, Spain: Twin impact craters or Alpine thrust systems? TEM investigations on deformed quartz dispove shock origin. Lunar and Planetary Science XXVII, 725-726.

 CIRT, Chiemgau Impact Research Team (2004): Did the Celts see a cometary impact 200 B.C.? (Sahen die Kelten einen Kometeneinschlag 200 v. Ch.?) http://www.astronomy.com/asy/default.aspx?c=a&id=2519

Martin, B (1999): Suppression of dissent in science. Research in Social Problems and Public Policy, Vol. 7, Freudenburg, W.R. & Youn, T.I.K. eds, Stanford, C.T.: JAI Press, 1999, pp 105-135.

(Der Text kann unter dieser Adresse http://www.uow.edu.au/arts/sts/bmartin/pubs/99rsppp.html heruntergeladen werden. Dort findet der Leser weitere Links zu mehr Informationen über die Methode der Unterdrückung in der Wissenschaft und wie sie operiert.)

Barnes, B (1977): Interests and the growth of knowledge. London: Routledge and Kegan Paul.

Rösler et al. (2006 ): Characterisation of a small craterlike structure in SE Bavaria, Germany. European Space Agency First International Conference on Impact Cratering in the Solar System. ESTEC, Noordwijk , The Netherlands, 812 May, 2006.

 


[1] Unter Libelo versteht man im Spanischen jenes Geschriebene in dem jemand direkt oder indirekt diffamiert wird.