Streit um Meteoritenkrater im Chiemgau

Nachtrag

Am 25.8.2010 schreibt Wissenschaftsredakteur Markus Becker in SPIEGEL online einen längeren Artikel zum Thema:
Chiemgau-Einschlag – Forscher halten Kelten-Kometen für Legende

Am Schluss seines Textes, der relativ ausgewogen beide Seiten zu Wort kommen lässt, insbesondere aber auch ausführlicher auf die wissenschaftlichen, den Impakt stützenden Untersuchungen anderer Forschergruppen eingeht, wird Dr. Roland Eichhorn, Abteilungsleiter Geologie am Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) so zitiert:

LfU-Geologe Eichhorn versucht nun offenbar, den Anhängern der Meteoritentheorie eine goldene Brücke zu bauen. Denn dass ein kosmisches Geschoss den Tüttensee erschaffen habe, sei auch nach der neuen Untersuchung weiterhin möglich. „Vielleicht sollte man in der Eiszeit weiterforschen“, schlägt Eichhorn vor.

Das CIRT meint dazu, dass hier nicht den Anhängern der Meteoritentheorie eine goldene Brücke gebaut werden soll. Vielmehr erscheint es so, als ob Dr. Eichhorn sich selbst und seinen Mitarbeitern eine goldene Brücke bauen möchte, um ohne allzu großen Gesichtsverlust aus der Angelegenheit herauszukommen. Allerdings zeigt sein Hinweis auf einen möglichen Meteoriteneinschlag mit der Bildung des Tüttensees in der Eiszeit erneut, dass Dr. Eichhorn und seine Mitarbeiter sich bis heute absolut kein Bild von den geologischen Vorgängen und Beobachtungen am Tüttensee gemacht haben. Wie in allen Publikationen des CIRT, in Fachjournalen und im Internet, nachzulesen und im Impakt-Museum in Grabenstätt eindrucksvoll präsentiert, muss der Impakt viele tausend Jahre nach der Eiszeit stattgefunden haben. Das zeigen unwiderlegbar die archäologischen Funde in der Impakt-Katastrophenschicht, in der sie zusammen mit den diagnostischen Impaktgesteinen angetroffen werden.

Auf eine Brücke in Richtung CIRT könnte das LfU zugehen, wenn sich Dr. Eichhorn entschließen könnte, mit seinen Mitarbeitern eine Exkursion unter wissenschaftlicher Leitung des CIRT an den Tüttensee und in das Impakt-Museum in Grabenstätt zu machen. Die Geologen vom LfU könnten sich endlich ein Bild von einer der faszinierendsten geologischen Stellen der jüngsten geologischen Geschichte in Bayern machen. Das CIRT meint, dass dafür der Steuerzahler vermutlich Verständnis hätte.

Auch eine andere Sache im SPIEGEL online-Bericht soll noch nachgetragen werden. In der Bilderfolge zu diesem Bericht werden Luftbilder von der Eggstätter Seenplatte nordwestlich vom Chiemsee gezeigt, mit der Bildunterschrift, dass es sich dabei um vom CIRT angesehene Meteoritenkrater handele. Das ist unzutreffend. Die Aufnahmen wurden dem SPIEGEL bereits von mehreren Jahren in einem anderen Zusammenhang übergeben. Sie sollten dem SPIEGEL-Redakteur klar machen, dass die einfache morphologische Signatur einer wassergefüllten Hohlform nichts über ihre Genese aussagt, sondern dass erst intensive geologische, geophysikalische und mineralogische Untersuchungen dafür notwendig sind. Dieses Beispiel greifen wir aber gerne wieder auf im Zusammenhang mit dem Tüttensee, für den es diese intensiven Studien ja nun in der Tat gibt und mit denen der Toteisursprung widerlegt wird. Ob es sich bei der Eggstätter Seenplatte überhaupt um Toteissenken handelt, wie allgemein von den Eiszeitgeologen vor Ort angenommen, ist ohnehin fraglich. Seen im Alpenvorland können durch die verschiedensten Prozesse entstanden sein, und selbst Eiszeitforscher mahnen an, dass die eiszeitlichen Toteislöcher seit Generationen von Geologen und Geographen als reine Spekulation anzusehen seien, für die niemals Belege vorgelegt wurden. In diesem Zusammenhang ist die kluge wissenschaftliche Abhandlung von Manfred R. Martin „Zu den für die Eiszeitglaziologie wichtigen kleinen Hohlformen und zur Frage des Entstehens der Sölle; viademica.verlag, Berlin 2007“ zu nennen.

Und hier dazu der empfehlenswerte Link zur Internetseite von Manfred R. Martin: Forschungen zur Eiszeitglaziologie!

Neu in der Diskussion:

Streit um Meteoritenkrater im Chiemgau – Erwiderung des Chiemgau Impact Research Teams auf die Pressemitteilung des Bayerischen Landesamtes für Umwelt
Kurzfassung

In einer Pressemitteilung an die Deutsche Presseagentur dpa verweist Dr. Roland Eichhorn, Leiter der Geologieabteilung am Bayerischen Landesamt für Umwelt (= LfU), auf eine Internetpräsentation mit Resultaten des Amtes, die den Meteoriten-Einschlagcharakter des Tüttensees zurückweisen und den Toteisursprung erneut bekräftigen sollen.
Bei genauerem Hinsehen und Analyse der Internetpräsentation wird ersichtlich – für den normalen Leser kaum erkennbar – dass die Bodenproben, auf die sich die Argumentation des Amtes stützt, nicht, wie es die Pressemitteilung nahelegt, aus dem Kesselboden entnommen wurden, sondern vom Rand des Sees. Der Begriff „Kesselboden“ soll dem Leser wohl suggerieren, es handle sich um Proben aus der Mitte des Sees. Das Chiemgau Impact Research Team (= CIRT) hat bereits vor Jahren anhand einer eigenen Gravimetriemessung (Schwerkraftmessung) und Probenentnahmen, sowie Daten, die aus einer Seismikmessung (Sedimentecholot) zur Verfügung gestellt wurden, festgestellt, dass in der betreffenden Uferregion des Sees ungestörte Bodenverhältnisse anzutreffen sind. Das LfU hätte sich bei entsprechender Kommunikation mit dem CIRT viel Arbeit und den überflüssigen Einsatz von Steuergeldern ersparen können.
Die sowohl vom CIRT als auch jetzt vom LfU festgestellten Befunde überraschen das CIRT nicht. Dass das LfU meint, mit seinen Ergebnissen der Meteoritenkrater-Theorie des CIRT nun den Garaus gemacht zu haben, offenbart nur, dass das LfU keine Experten hat, die mit den komplizierten geophysikalischen Prozessen bei einem Meteoriteneinschlag vertraut wären. Warum die Befunde am Seeufer mit der Theorie eines Meteoriteneinschlags problemlos vereinbar sind, erläutert das CIRT auf seiner Webseite www.chiemgau-impakt.de.
Im Übrigen unterläuft dem LfU ein bemerkenswerter Argumentationsfehler: Eine Datierung kann nicht als Widerlegung eines Meteoriteneinschlags herhalten, sondern höchstens den Zeitpunkt des Ereignisses betreffen. Mit den geologisch-mineralogischen Nachweisen für einen Meteoriteneinschlag dagegen, die das CIRT zuhauf rund um den Tüttensee vorgefunden und in einem peer-reviewed wissenschaftlichen Aufsatz veröffentlich hat, hat sich das LfU nicht auseinandergesetzt.
Abschließend sei auf die eindeutig polemische Zielsetzung der Pressemitteilung des LfU verwiesen: Niemand vom CIRT und auch sonst kein ernst zu nehmender Forscher, wenn überhaupt irgendwer, hat jemals behauptet, dass der Tüttensee im Zusammenhang des sog. Clovis-Impakts in Nordamerika vor ca. 12.500 entstanden sei. Diese Äußerung kann nur als billige Stimmungsmache verstanden werden.
Die detaillierte Stellungnahme des CIRT zur Pressemitteilung des LfU können Sie hier anklicken: