Zur Herkunft der Eisensilizide Xifengit und Gupeiit

U. Schüssler: Zur Herkunft der Eisensilizide Xifengit und Gupeiit

Im ostbayerischen Raum zwischen Traunstein und Straubing finden sich im Boden immer wieder geringe Mengen an sogenannten Eisensiliziden, die hauptsächlich aus den Mineralen Xifengit und Gupeiit, aber auch stöchiometrisch anders zusammengesetzten Fe-Si-Verbindungen bestehen. Wegen der räumlichen Nähe zum Kraterfeld des vermuteten Chiemgau-Impakts, wegen der Fundumstände, wegen der exotischen chemischen Zusammensetzung (die sich nur in absolut Sauerstoff-freiem Milieu bilden kann), wegen des bisher ausgesprochen seltenen Nachweises dieser Minerale in irdischem Kontext (natürlich und technisch), und wegen des Vorkommens dieser Minerale in verschiedenen Meteoriten und im Weltall wurde zunächst ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieser Eisensilizide und diesem Impakt angenommen (z.B. Rappenglück et al. 2005). Aus diesem Grunde wurde das Verteilungsgebiet der Eisensilizide genau auskartiert (Abb. 1). Im Laufe dieser Arbeiten wurden etwa 2,5 kg dieses Materials auf einer Gesamtfläche von fast 10.000 km2 gefunden.

 

Um diese fragliche kosmische Herkunft der ostbayerischen Eisensilizide genauer zu belegen, wurden materialkundliche Untersuchungen durchgeführt, zunächst von Raeymaekers & Schryvers (z.B. 2004), die die Minerale Xifengit und Gupeiit als erste in dem Chiemgauer Material entdeckten, und von Fehr et al. (2004). Die Untersuchungen von Fehr et al. umfassten auch die Analyse der Pb-Isotope an einer Probe. Das Ergebnis ist insofern nicht ganz eindeutig, als der Analysepunkt zwar im Feld der irdischen Bleiisotopien liegt, gleichzeitig aber auch auf der Meteoriten-Isochrone. Daher erschien die Aussage von Fehr et al. (2004), es handle sich bei dem Material um ein technisches Produkt, etwas vorschnell. Eisensilizide werden zwar in der Tat, wie in dem Artikel beschrieben, in großen Mengen hergestellt, für die Minerale Xifengit und Gupeiit trifft aber genau das Gegenteil zu, eine industrielle Herstellung war bislang nicht bekannt.

Von unserer Gruppe iniziierte Analysen der Eisenisotope an drei eigenen Proben, die von Dr. Stefan Weyer am Institut für Mineralogie der Universität Frankfurt durchgeführt wurden, untermauern allerdings eine terrestrische Herkunft der Chiemgauer Eisensilizide (Weyer, persönliche Mitteilung). Aus diesem Grunde richteten sich unsere Untersuchungen verstärkt auf die Frage einer möglichen technischen Herkunft des exotischen Materials; diese Frage lässt sich nun beantworten:

Eisensilizide, darunter auch größere Mengen an Xifengit und Gupeiit, entstanden als Nebenprodukte bei der Herstellung mineralischer Düngemittel, die vor allem in der unmittelbaren Nachkriegszeit in der Landwirtschaft verwendet wurden (da die mineralogische Zusammensetzung dieser Nebenprodukte nicht weiter interessant war, wurde sie nie genau untersucht, Xifengit und Gupeiit blieben daher unentdeckt). Diese Eisensilizide wurden zwar zum allergrößten Teil aus den Düngemitteln entfernt und anderweitig verarbeitet (unter Zerstörung der Gupeiit- und Xifengit-Strukturen), minimale Restmengen könnten jedoch in dieser Zeit auf die Äcker geraten sein. Aufgrund verschiedenster Einflüsse wie Feldbearbeitung, Niederschläge, Vegetation, Grabtätigkeit der Tiere etc. dürften die Partikel während der vergangenen 50 bis 60 Jahre in ihre heutige Position in den unteren Bodenschichten meist in 20 bis 40 cm Tiefe gelangt sein. Unklar ist allerdings nach wie vor, warum man die Partikel auch in jahrhundertealten Wäldern, in Mooren und im Almbereich über 1000 m Höhe findet. Möglicherweise wurde früher auch in diesen Arealen gedüngt. Ein sogenannter Konvergenzeffekt, d.h. Eintrag derselben Art von Eisensilizidpartikeln sowohl durch die Düngung als auch durch einen Impakt ist nicht völlig auszuschließen, erscheint aber äußerst unwahrscheinlich.

Es soll an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Eisensilizide zwar ursprünglich mit einem Impakt in Zusammenhang gebracht wurden, dass sie aber nie als unmittelbares Beweismittel dienten. Die zahlreichen anderen Hinweise auf einen Impakt im Chiemgau, die auf unserer website nachzulesen sind, sind von den neuen Ergebnissen zum Thema „Eisensilizide“ unberührt.

 

Literatur:

Fehr, K.T., Hochleitner, R., Hölzl, S., Geiss, E., Pohl, J., Faßbinder, J. (2004): Ferrosilizium-Pseudometeorite aus dem Raum Burghausen, Bayern. Der Aufschluß 55, S. 297-303.

Raeymaekers, B., Schryvers, D. (2004): Iron silicides and other metallic species in the SE Bavarian strewn field). Paneth-Kolloquium Nördlingen.

 

Rappenglück, M., Schüssler, U., Mayer, W., Ernstson, K. (2005): Sind die Eisensilizide aus dem Impakt-Kraterstreufeld im Chiemgau kosmisch? – Eur. J. Mineral. 17, Beih. 1: 108. Siehe auch

http://www.uni-wuerzburg.de/mineralogie/schuessler/Poster_Eisensilizide_2005.pdf


 

2. Nickel

Der Chiemgau-Gupeiit, der  North Haig Ureilit-Meteorit und der NWA 1241 Ureilit-Meteorit.

Im Zusammenhang mit den Funden des bemerkenswerten Materials im Chiemgau-Streufeld und einem möglichen kosmischen Ursprung wird immer wieder kritisch das Fehlen von Nickel angemerkt. Dazu bringen wir hier eine Zusammenstellung (Tab. 1) der Zusammensetzungen eines Gupeiits aus dem Chiemgau-Streufeld sowie zweier Suessite aus Ureiliten mit niedrigem Ni-Gehalt (North Haig Ureilit-Meteorit und NWA 1241 Ureilit-Meteorit).

Die Tabelle belegt:

— eine sehr ähnliche Zusammensetzung aller drei Minerale

— niedrige und vergleichbare Nickelgehalte für alle drei Minerale

— einen Chromgehalt des Gupeiits, der genau im Bereich der Chromgehalte der beiden Suessite liegt.

 

                           Chiemgau

North Haig

NWA 1241

wt.-%                            gupeiite

 

 

suessite

suessite

Si

14.83

14.40

11.78

14.85

12.93

13.68

14.6 – 16.4

13

Fe

83.61

83.32

87.59

83.28

86.06

86.00

83.0 – 88.8

Ni

0.53

0.53

0.40

1.02

0.48

0.45

0.50 – 2.40

1 – 4

Cr

0.57

0.59

0.45

0.45

0.46

0.37

0.02 – 0.25

1.1

Total

99.54

98.84

100.22

99.60

99.93

100.50

     

 

Tab. 1. Zusammensetzung einer Gupeiit-Probe aus dem Chiemgau-Streufeld, mit einer Elektronen-Mikrosonde an verschiedenen Punkten gemessen – Institut für Mineralogie der Universität Würzburg, im Vergleich mit Zusammensetzungen zweier Suessite aus Ureilit-Meteoriten (North Haig und NWA 1241). Analyse des North Haig-Ureiliten in K. Keil, J.L. Berkley & L.H. Fuchs, 1982, American Mineralogist, 67, p. 126-131; Klassifizierung und Mineralogie des NWA 1241 durch F. Wlotzka and M. Kurz, in: S.S. Russell, J. Zipfel, J.N. Grossman and M.M. Grady (2002) The Meteoritical Bulletin, No. 86, 2002 July. – Meteoritics Planet. Sci., 37, (Supplement), A157-A184, 2002).

 

Eine Kurzbeschreibung zu Ureiliten findet sich unter http://de.wikipedia.org/wiki/Achondrit


1. Literaturzitat

1. Die folgende wichtige Publikation zum Chiemgau-Impakt Schryvers, D. and Raeymakers, B. (2005): EM characterisation of a potential meteorite sample, proceeding of EMC 2004, Vol. II, p. 859-860 (ed. D. Schryvers, J.P. Timmermans, G. Van Tendeloo). ist unserer Aufmerksamkeit entgangen. Abstract-Artikelund Poster (2 MB) können angeklickt werden!