Regmaglypten auf Kalkstein-Geröllen: Hinweis auf Karbonatschmelze im Chiemgau-Impakt

Vor etwa 40 Jahren wurde von Thomas Weber, Hettenleidelheim, im Bereich des nördlichen Chiemseeufers zwischen Seebruck und Lambach ca. 30 – 40 m vom Ufer entfernt aus 2 – 3 m Wassertiefe der Stein der Abb. 1 geholt. Ein weiterer, sehr ähnlicher Brocken wurde an derselben Stelle von seinem Begleiter geborgen. Wegen der sehr ungewöhnlichen Oberflächenskulptur wurden die Steine seinerzeit als Sammelobjekte mitgenommen. Thomas Weber hat uns nunmehr, nachdem er sich im Zusammenhang mit der Diskussion über den Chiemgau-Impakt an seinen Fund erinnerte, den Stein zur Untersuchung und Dokumentation zur Verfügung gestellt.

 

Abb. 1. Ein aus dem Chiemsee geborgenes regmaglyptisches Kalksteingeröll. 

Wir deuten die eigenartige Oberflächenskulptur als Schmelzstrukturen, sogenannte Regmaglypten, die beim Flug des Gerölls durch die heiße Explosionswolke beim Chiemgau-Impakt entstanden. Regmaglypten sind ursprünglich von Meteoriten bekannt, mittlerweile aber auch von irdischen Impaktstrukturen beschrieben worden (Abb. 2).

Ein ausführlicherer Text über Regmaglypten, das hier gezeigte Geröll, Verwechslungsmöglichkeiten mit gewöhnlichen Lösungskarren und eine Erörterung im Rahmen des Chiemgau-Impaktes kann HIER angeklickt werden.

 

Abb. 2. Erstaunlich ähnlich: Regmaglypten auf der Oberfläche des Tabor-Meteoriten (links) und auf einem Kalkstein-Fragment aus den Puerto Mínguez-Ejekta, Azuara-Rubielos de la Cérida-Impaktstrukturen (Spanien).

Dr. R. Huber von der Universität Bremen hat uns kürzlich mitgeteilt, daß dem (Zit.) Augenschein nach die hier gezeigten Skulpturen das Werk von Endolithen, also von Bakterien und Algen seien. Wir bedanken uns für seinen Hinweis und werden die Strukturen auch noch einmal unter dem Gesichtspunkt biogener Formen untersuchen. Eine endolithische Entstehung halten wir für äußerst unwahrscheinlich und verweisen darauf, daß dem Augenschein nach sehr ähnliche Strukturen dennoch aus ganz unterschiedlichen Prozessen resultieren können. Ein einschlägig typisches Beispiel ist die absolute phänomenologische Übereinstimmung von Produkten regmaglyptischer Schmelzprozesse und Lösungsprozessen im Karst (Karren).

Inzwischen haben wir die sog. „Furchensteine“ auch unter dem Gesichtspunkt einer Wirkung von Algen und Bakterien untersucht. Diese Erklärung müssen wir für die von uns (!) beschriebenen Strukturen ausschließen. Wir verweisen dazu auch noch einmal auf den ausführlichen Artikel .

Zur Herkunft der Eisensilizide Xifengit und Gupeiit

U. Schüssler: Zur Herkunft der Eisensilizide Xifengit und Gupeiit

Im ostbayerischen Raum zwischen Traunstein und Straubing finden sich im Boden immer wieder geringe Mengen an sogenannten Eisensiliziden, die hauptsächlich aus den Mineralen Xifengit und Gupeiit, aber auch stöchiometrisch anders zusammengesetzten Fe-Si-Verbindungen bestehen. Wegen der räumlichen Nähe zum Kraterfeld des vermuteten Chiemgau-Impakts, wegen der Fundumstände, wegen der exotischen chemischen Zusammensetzung (die sich nur in absolut Sauerstoff-freiem Milieu bilden kann), wegen des bisher ausgesprochen seltenen Nachweises dieser Minerale in irdischem Kontext (natürlich und technisch), und wegen des Vorkommens dieser Minerale in verschiedenen Meteoriten und im Weltall wurde zunächst ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieser Eisensilizide und diesem Impakt angenommen (z.B. Rappenglück et al. 2005). Aus diesem Grunde wurde das Verteilungsgebiet der Eisensilizide genau auskartiert (Abb. 1). Im Laufe dieser Arbeiten wurden etwa 2,5 kg dieses Materials auf einer Gesamtfläche von fast 10.000 km2 gefunden.

 

Um diese fragliche kosmische Herkunft der ostbayerischen Eisensilizide genauer zu belegen, wurden materialkundliche Untersuchungen durchgeführt, zunächst von Raeymaekers & Schryvers (z.B. 2004), die die Minerale Xifengit und Gupeiit als erste in dem Chiemgauer Material entdeckten, und von Fehr et al. (2004). Die Untersuchungen von Fehr et al. umfassten auch die Analyse der Pb-Isotope an einer Probe. Das Ergebnis ist insofern nicht ganz eindeutig, als der Analysepunkt zwar im Feld der irdischen Bleiisotopien liegt, gleichzeitig aber auch auf der Meteoriten-Isochrone. Daher erschien die Aussage von Fehr et al. (2004), es handle sich bei dem Material um ein technisches Produkt, etwas vorschnell. Eisensilizide werden zwar in der Tat, wie in dem Artikel beschrieben, in großen Mengen hergestellt, für die Minerale Xifengit und Gupeiit trifft aber genau das Gegenteil zu, eine industrielle Herstellung war bislang nicht bekannt.

Von unserer Gruppe iniziierte Analysen der Eisenisotope an drei eigenen Proben, die von Dr. Stefan Weyer am Institut für Mineralogie der Universität Frankfurt durchgeführt wurden, untermauern allerdings eine terrestrische Herkunft der Chiemgauer Eisensilizide (Weyer, persönliche Mitteilung). Aus diesem Grunde richteten sich unsere Untersuchungen verstärkt auf die Frage einer möglichen technischen Herkunft des exotischen Materials; diese Frage lässt sich nun beantworten:

Eisensilizide, darunter auch größere Mengen an Xifengit und Gupeiit, entstanden als Nebenprodukte bei der Herstellung mineralischer Düngemittel, die vor allem in der unmittelbaren Nachkriegszeit in der Landwirtschaft verwendet wurden (da die mineralogische Zusammensetzung dieser Nebenprodukte nicht weiter interessant war, wurde sie nie genau untersucht, Xifengit und Gupeiit blieben daher unentdeckt). Diese Eisensilizide wurden zwar zum allergrößten Teil aus den Düngemitteln entfernt und anderweitig verarbeitet (unter Zerstörung der Gupeiit- und Xifengit-Strukturen), minimale Restmengen könnten jedoch in dieser Zeit auf die Äcker geraten sein. Aufgrund verschiedenster Einflüsse wie Feldbearbeitung, Niederschläge, Vegetation, Grabtätigkeit der Tiere etc. dürften die Partikel während der vergangenen 50 bis 60 Jahre in ihre heutige Position in den unteren Bodenschichten meist in 20 bis 40 cm Tiefe gelangt sein. Unklar ist allerdings nach wie vor, warum man die Partikel auch in jahrhundertealten Wäldern, in Mooren und im Almbereich über 1000 m Höhe findet. Möglicherweise wurde früher auch in diesen Arealen gedüngt. Ein sogenannter Konvergenzeffekt, d.h. Eintrag derselben Art von Eisensilizidpartikeln sowohl durch die Düngung als auch durch einen Impakt ist nicht völlig auszuschließen, erscheint aber äußerst unwahrscheinlich.

Es soll an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Eisensilizide zwar ursprünglich mit einem Impakt in Zusammenhang gebracht wurden, dass sie aber nie als unmittelbares Beweismittel dienten. Die zahlreichen anderen Hinweise auf einen Impakt im Chiemgau, die auf unserer website nachzulesen sind, sind von den neuen Ergebnissen zum Thema „Eisensilizide“ unberührt.

 

Literatur:

Fehr, K.T., Hochleitner, R., Hölzl, S., Geiss, E., Pohl, J., Faßbinder, J. (2004): Ferrosilizium-Pseudometeorite aus dem Raum Burghausen, Bayern. Der Aufschluß 55, S. 297-303.

Raeymaekers, B., Schryvers, D. (2004): Iron silicides and other metallic species in the SE Bavarian strewn field). Paneth-Kolloquium Nördlingen.

 

Rappenglück, M., Schüssler, U., Mayer, W., Ernstson, K. (2005): Sind die Eisensilizide aus dem Impakt-Kraterstreufeld im Chiemgau kosmisch? – Eur. J. Mineral. 17, Beih. 1: 108. Siehe auch

http://www.uni-wuerzburg.de/mineralogie/schuessler/Poster_Eisensilizide_2005.pdf


 

2. Nickel

Der Chiemgau-Gupeiit, der  North Haig Ureilit-Meteorit und der NWA 1241 Ureilit-Meteorit.

Im Zusammenhang mit den Funden des bemerkenswerten Materials im Chiemgau-Streufeld und einem möglichen kosmischen Ursprung wird immer wieder kritisch das Fehlen von Nickel angemerkt. Dazu bringen wir hier eine Zusammenstellung (Tab. 1) der Zusammensetzungen eines Gupeiits aus dem Chiemgau-Streufeld sowie zweier Suessite aus Ureiliten mit niedrigem Ni-Gehalt (North Haig Ureilit-Meteorit und NWA 1241 Ureilit-Meteorit).

Die Tabelle belegt:

— eine sehr ähnliche Zusammensetzung aller drei Minerale

— niedrige und vergleichbare Nickelgehalte für alle drei Minerale

— einen Chromgehalt des Gupeiits, der genau im Bereich der Chromgehalte der beiden Suessite liegt.

 

                           Chiemgau

North Haig

NWA 1241

wt.-%                            gupeiite

 

 

suessite

suessite

Si

14.83

14.40

11.78

14.85

12.93

13.68

14.6 – 16.4

13

Fe

83.61

83.32

87.59

83.28

86.06

86.00

83.0 – 88.8

Ni

0.53

0.53

0.40

1.02

0.48

0.45

0.50 – 2.40

1 – 4

Cr

0.57

0.59

0.45

0.45

0.46

0.37

0.02 – 0.25

1.1

Total

99.54

98.84

100.22

99.60

99.93

100.50

     

 

Tab. 1. Zusammensetzung einer Gupeiit-Probe aus dem Chiemgau-Streufeld, mit einer Elektronen-Mikrosonde an verschiedenen Punkten gemessen – Institut für Mineralogie der Universität Würzburg, im Vergleich mit Zusammensetzungen zweier Suessite aus Ureilit-Meteoriten (North Haig und NWA 1241). Analyse des North Haig-Ureiliten in K. Keil, J.L. Berkley & L.H. Fuchs, 1982, American Mineralogist, 67, p. 126-131; Klassifizierung und Mineralogie des NWA 1241 durch F. Wlotzka and M. Kurz, in: S.S. Russell, J. Zipfel, J.N. Grossman and M.M. Grady (2002) The Meteoritical Bulletin, No. 86, 2002 July. – Meteoritics Planet. Sci., 37, (Supplement), A157-A184, 2002).

 

Eine Kurzbeschreibung zu Ureiliten findet sich unter http://de.wikipedia.org/wiki/Achondrit


1. Literaturzitat

1. Die folgende wichtige Publikation zum Chiemgau-Impakt Schryvers, D. and Raeymakers, B. (2005): EM characterisation of a potential meteorite sample, proceeding of EMC 2004, Vol. II, p. 859-860 (ed. D. Schryvers, J.P. Timmermans, G. Van Tendeloo). ist unserer Aufmerksamkeit entgangen. Abstract-Artikelund Poster (2 MB) können angeklickt werden!