Der Chiemgau-Impakt – auch im Saarland?

Zur 74.Jahrestagung der Meteoritical Society, 8 – 12. August in Greenwich, England, sind bereits alle Abstract-Artikel (also Zusammenfassungen der Tagungspräsentationen) im Internet erschienen. Für den Chiemgau-Impakt sind insbesondere folgende drei Beiträge interessant, da sie dazu einen unmittelbaren Bezug aufweisen. (Die Abstract-Artikel können jeweils heruntergeladen werden)

[1] A POSSIBLE NEW IMPACT SITE NEAR NALBACH (SAARLAND, GERMANY)
E. Buchner, W. Müller and M. Schmieder
www.lpi.usra.edu/meetings/metsoc2011/pdf/5048.pdf
[2] NALBACH (SAARLAND, GERMANY) AND WABAR (SAUDI ARABIA) GLASS – TWO OF A KIND?
M. Schmieder, W. Müller and E. Buchner
www.lpi.usra.edu/meetings/metsoc2011/pdf/5059.pdf
[3] IMPACTITES AND RELATED LITHOLOGIES IN GERMANY – CURRENT STATE OF KNOWLEDGE
M. Schmieder, W. Müller, L. Förster and E. Buchner
www.lpi.usra.edu/meetings/metsoc2011/pdf/5060.pdf

Von den Autoren ist insbesondere Werner Müller herauszustellen, der in jüngster Zeit sehr akribisch Geländebefunde im Saarland aufgenommen und besondere Gesteine und Gläser sowie vermutete Meteorite gesammelt hat. Er hat daraus auf die mögliche Existenz  eines Meteoriteneinschlags in jüngerer Zeit geschlossen und als Entdecker des Phänomens einen Artikel in deutscher und englischer Sprache im wissenschaftlichen Internetforum von Sribd veröffentlicht:

Prims: Ein möglicher holozäner Meteoriten-Impaktkrater im Saarland, Westdeutschland
der HIER angeklickt werden kann.

Diesen vermuteten Impakt nahe der französischen Grenze begleiten die anderen Autoren mit kurzen weiteren Ausführungen in jenen drei genannten Abstract-Artikeln, wobei der Scribd-Artikel von Müller wohl im Abstract [2], eigenartigerweise aber nicht im thematisch näherliegenden Abstract [1] zitiert wird.

Verblüffend ähnlich: Saarland-Funde und Chiemgau-Impakt.

Der enge Zusammenhang mit dem Chiemgau-Impakt ergibt sich aus dem Scribd- Artikel von Werner Müller und umfasst entsprechend auch die Artikel von Buchner et al. und Schmieder et al. Wie im Artikel von Müller zu lesen ist und von ihm auch besonders herausgestellt wird, finden sich bei Nalbach im Saarland viele verblüffende Parallelen zu Funden im Chiemgauer Meteoritenkrater-Streufeld:
— Gerölle mit Anzeichen mechanischer Beanspruchung und starker Temperatureinwirkung in Form von Glasummantelung und Glas, das das Gestein (meist Sandsteine/Quarzite) z.T. dicht durchsetzt
— polymikte Brekzien
— schlackeartige Schmelzgesteine
— Glas als Matrix von Schmelzgesteinen mit verschiedensten Gesteinsbruchstücken
— glasartiger Kohlenstoff
— Sphärulen
— vermutlich schockinduzierte Spallationseffekte in Schmelzgesteinen

Der Leser wird ermuntert, sich die Abbildungen im Scribd-Artikel von Werner Müller anzuschauen und sie mit den Chiemgau-Proben zu vergleichen. Bilder dazu findet er z.B. auf der Webseitehttp://www.chiemgau-impact.com/petrographie.html und im Artikel Ernstson et al., 2010 bzw. Originale im Impakt-Museum in Grabenstätt [https://www.chiemgau-impakt.de/2011/07/15/museum/]

Obgleich für das postulierte Impaktereignis im Saarland noch keine genaue Datierung vorliegt, hält W. Müller wegen der Geländestrukturen und der sehr frisch erscheinenden Gläser ein holozänes, also nacheiszeitliches Alter für sehr wahrscheinlich. Dieses Alter gilt auch für den Chiemgau-Impakt, und es stellt sich die naheliegende Frage, ob nicht Chiemgau- und mutmaßlicher Saarland-Impakt zu ein und demselben kosmischen Ereignis gehören. So etwas könnte man sich vorstellen, wenn sich das kosmische Projektil schon vor Annäherung an die Erde in Auflösung befand (wie beispielsweise der Shoemaker-Levi-9-Komet vor dem Einschlag 1994 auf dem Jupiter) und letztlich beim Impakt ein noch viel größeres Streufeld als bisher für den Chiemgau Impakt angenommen hinterlassen hat.

Aus der Perspektive einer möglichen Zusammengehörigkeit beider Ereignisse ist es bemerkenswert, wenn von den Gegnern des Chiemgau-Impaktes, zu denen bekanntlich zwei der Abstract-Autoren (E. Buchner, M. Schmieder) gehören, ein fördernder Beitrag zum Chiemgau-Forschungsprojekt des CIRT geleistet wird. Insbesondere der Verweis von Buchner et al. in [1] auf einen möglichen meteoritischen Airburst (also eine Explosion des Projektils über der Erdoberfläche) im Saarland erregt Aufmerksamkeit, wird eine solche Möglichkeit doch längst im Zusammenhang mit der Bildung auffälliger Krater beim Chiemgau-Impakt diskutiert (z.B. Ernstson et al., 2010, S. 92 f.).

Ein Kommentar sei noch zum Abstract-Artikel von Schmieder et al. [3] hinzugefügt. Die Autoren verweisen auf mehrere Strukturen in Deutschland, für die in der Vergangenheit ein meteoritischer Ursprung postuliert wurde, für die aber „[übersetzt] Anzeichen für Schockmetamorphose und/oder meteoritisches Material als Beweis für einen Impakt fehlen“. Unter diesen Strukturen wird auch mit dem Literaturverweis auf den 30 Seiten langen Artikel ‚Ernstson K. et al. 2010. J. Siberian Fed. Univ. Engin. Technol. 1:72–103 (HIER herunterzuladen)‘ der Chiemgau-Impakt eingeordnet. Entweder haben Schmieder et al. diesen ausführlichen Basis-Artikel zum Chiemgau-Impakt nie gelesen, oder sie verschweigen ganz bewusst, dass auf den Seiten 82 f. unter dem Abschnitt 8. Shock metamorphism über allgemein als Impaktnachweis akzeptierte Schockeffekte in Gesteinen von Chiemgau-Kratern mit entsprechenden Dünnschliffbildern berichtet wird, darunter über planare Deformationsstrukturen (PDFs) mit bis zu fünf sich kreuzenden Scharen von PDFs in Quarz und über diaplektisches Glas, für dessen Bildung noch höhere Drücke als die für PDFs erforderlich sind.

Dieses Stillschweigen über Impaktnachweise beim Chiemgau-Impakt und die gleichzeitige Behauptung, der Chiemgau-Impakt sei nicht bestätigt [3], ist umso eigenartiger angesichts des Umstandes, dass vergleichbar eindeutige Impaktnachweise für das Phänomen im Saarland bisher noch nicht erbracht werden konnten [1]. Aufgrund der vielversprechenden Ähnlichkeiten zwischen Chiemgau-Impaktmaterial und Material aus dem Saarland können wir aber die Kollegen nur zur weiteren Erforschung ermutigen. Wir freuen uns, dass Buchner und Schmieder, auch wenn ihre Arbeit wie gezeigt einige Defizite und Merkwürdigkeiten aufweist, mit ihren Forschungen zum Saarland-Impakt zum besseren Verständnis des Chiemgau-Impaktes beitragen.