Chiemgau-Impakt: Bims als Impaktgestein (Impaktit)

Bims oder Bimsstein ist ein poröses vulkanisches Gestein. Es bildet sich bei gasreichen explosiven Eruptionen bei der Vermischung von Lava und Wasser, was bei Druckentlastung die Lava durch Kohlendioxid und Wasserdampf aufschäumen lässt und bei rascher Abkühlung zu dem besonderen stark blasigen Gefüge führt. Bimsstein besteht fast ausschließlich aus Glas mit wenigen Kristalleinlagerungen und besitzt bis zu 90 % Porosität, weswegen er i.a. auf Wasser schwimmt. Je nach Ausgangsmaterial und Gefüge tritt Bimsstein in einem breiten Farbspektrum von fast weiß über gelb, grau bis nahezu schwarz auf. Bekannt ist z.B. der italienische Bims von Lipari oder vom Stromboli. In Deutschland wird der Bims des Eifel-Vulkanismus abgebaut.

Bimsstein vom Chiemsee

Seit wenigen Jahren hat die intensive Erkundung der Geologie des Krater-Streufeldes des Chiemgau-Impaktes zu reichlich Funden von Bimsstein-Geröllen im Randbereich des Chiemsees geführt.

Ausbildung

Bims vom Chiemsee Chiemgau Impakt

Abb. 1. Verschiedene Bims-Varietäten vom Chiemsee. Weißer Bims – grauer, randlich in weißlichen Bims übergehend – grauer Bims – grauschwarzer Bims. Funde: Ernst Neugebauer.

Der Bims kommt in verschiedenen Farbvarianten vor (Abb. 1), wobei der weiße Bims eher selten ist. Unter dem Binokular unterscheiden sich die Gefüge von weißem Bims auf der einen und die grauen und grauschwarzen Bimsvarietäten auf der anderen Seite (Abb. 2, 3).

probable impact-produced pumice varieties

Abb. 2. Unterschiedliches Gefüge der weißen und grauen bzw. grauschwarzen Varietäten. 

 close-up of pumice varieties from the Chiemgau impact area

Abb. 3. Weiße und grauschwarze Bimsvarietäten von Abb. 2 in stärkerer Vergrößerung.

Der Unterschied zeigt sich insbesondere bei stärkerer Vergrößerung (Abb. 3) mit deutlich breiteren Stegen zwischen den Blasenhohlräumen des weißen Bims, die ihrerseits blasiges Gefüge aufweisen.

Der Unterschied ist auch materialbedingt: Der weiße Bims zeigt im Säuretest einen hohen Karbonatanteil, der im grauschwarzen Bims sehr gering ist. Das teilt sich auch der unterschiedlichen Festigkeit mit. Während der weiße Bims sich leicht zwischen den Fingern zerkrümeln lässt, reagiert der grauschwarze Bims mit feinster Pulverisierung. Die Druckfestigkeit ist in beiden Fällen gering, wie bereits das relativ leichte Eindrücken mit dem Fingernagel zeigt.

Streupräparate unter dem Mikroskop

grinded pumice under the polarization microscope Chiemgau impact

Abb. 4. Zerriebener Bims als Streupräparat unter dem Polarisationsmikroskop. Links: Grauschwarzer Bims (einfach polarisiertes Licht). – Rechts: weißer Bims (xx Polarisatoren). In der rechten Bildmitte befindet sich ein Quarzkorn mit angedeuteten planaren Brüchen (PFs). Bildhöhe ca. 500 µm. 

Im Streupräparat unter dem Mikroskop wird der Unterschied ebenfalls deutlich. Das Zerreibsel des grauschwarzen Bims (Abb. 4, oben) zeigt sich in Form feinst zerbrochener Glasscherben (Auslöschung bei xx Polarisatoren). Wenige Mineralkörner (Quarz, Hellglimmer) und kleine karbonatische Aggregate sind eingestreut. Das Glas selbst zeigt blasige Struktur mit opaker Auskleidung der Hohlräume.

Das Streupräparat des weißen Bims (Abb. 4, unten) besteht aus Aggregaten feinster Kristallite, bei denen es sich nach dem Säure-Lösungsverhalten im wesentlichen um Karbonat (Calcit) handeln dürfte. Wesentlich mehr als im Präparat des Glases von Abb. 4, oben, sind meist scharfkantig gebrochene Quarzkörner der Größenordnung 20 µm eingebunden.

planar fractures in Bims Quarz chiemgau impakt

Abb. 5. Quarz im Streupräparat mit drei Richtungen planarer Brüche (planar fractures, PFs). Bildbreite  ca. 30 µm.

Ein auffälliges Merkmal in den eingebundenen Quarzkörnern ist das Auftreten planarer Brüche (Spaltbarkeit des Quarzes) (Abb. 4, Abb. 5). In den zahlreichen Quarzen des weißen Bims zeigt ein Großteil der Körner diese Brüche.

Entstehung

Vulkanismus?

Obwohl der Bimsstein eine typische vulkanische Bildung ist, kann eine vulkanische Entstehung vor Ort ausgeschlossen werden. Ein „Import“ von Bims aus bekannten Vulkangebieten ist theoretisch vorstellbar (z.B. aus Zeiten der römischen Besiedlung), bereitet aber vor allem wegen des überwiegend karbonatischen weißen Bims nahezu unlösbare Probleme. Es gäbe auch wenig Sinn, dass ein von unbekannter Stelle her und in unbekannter Funktion „importierter“ Bims in größeren Mengen in den Chiemsee geworfen wurde, um dann einige Dekaden später schön abgerollt am Ufer zu stranden.

Anthropogene Herkunft, technisches Produkt?

Dem Bimsstein nachempfundene künstliche Produkte sind in vielfältiger Ausführung bekannt.  Dazu gehören z.B. Schaumglas, Blähglas, Blähton und Poren- bzw. Gasbeton. Von der internen Struktur her sind alle dem zuvor beschriebenen Bims vom Chiemsee ähnlich. Blähglas und Blähton kommen für eine Verwechslung nicht in Frage, da sie in kleinen Körnungen, Blähton dabei in kugeliger Form produziert werden. Porenbeton besteht im wesentlichen aus einer kristallinen Phase und nicht aus Glas und ist karbonatfrei. Allen diesen technischen Produkten ist die hohe Druckfestigkeit und Säurebeständigkeit gemeinsam, was gerade gemäß den obigen Ausführungen beim Bims vom Chiemsee nicht der Fall ist. Und wie bei einer konstruierten vulkanischen Herkunft müssten diese technisch erzeugten Materialien vor längerer Zeit in beachtlichen Mengen in den Chiemsee geworfen worden sein, damit sie heute wohlgerundet als Gerölle aufzulesen sind.

Der Bims vom Chiemsee als Impaktgestein

Ähnlich wie beim explosiven Vulkanismus bietet der meteoritische Impaktprozess geradezu ideale Bedingungen für die Produktion von Bimsstein, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Zum besseren Verständnis wird auf die grundlegende Bedeutung der Ausbreitung von Schockwellen bei einem Impaktereignis hingewiesen. Hinter der Front der extremen Drücke in der Schockwelle entstehen mit der Druckentlastung extreme Temperaturen, die hinter der Zone der Verdampfung zu einem Schmelzen des betroffenen Gesteinsuntergrundes führen (siehe z.B. hier: http://www.impaktstrukturen.de/understanding-the-impact-cratering-process/).

Ist dieser Untergrund dabei stark wasserhaltig, so kann es zu einer Vermischung des Impakt“magmas“ mit dem geschockten Wasser kommen und bei der Entlastung vom Schockdruck zu genau dem führen, was beim explosiven Vulkanismus geschieht: Aufschäumen der Gesteinsschmelze und bei rascher Abkühlung die Bildung von hochporösem Glas. Der Impakt-Bims entsteht! Beteiligen sich dann noch Karbonatgesteine (z.B. Kalkstein) an dem Prozess, kann das beim Schock entstehende gasförmige Kohlendioxid den Prozess noch stark fördern, wobei – anders als beim normalen Vulkanismus – sich auch Karbonatschmelze bilden kann.

Genau diese Bedingungen scheinen beim Chiemgau-Impakt ideal erfüllt gewesen zu sein. Nach den detaillierten SONAR-Echolotmessungen sind Einzelprojektile des großen Impaktors offenbar auch in den Chiemsee eingeschlagen, wovon der bereits beschriebene Doppelkrater mit Ringwall am Chiemseeboden zeugt. Und dort haben wir diese genannten idealen Bedingungen: Ein wassergesättigtes Sediment aus eiszeitlichen Ablagerungen, Seeton und Seekreide. Aus dem silikatischen Seeton entsteht durch Schmelzen und explosive Entgasung der graue und grauschwarze Bims aus fast reinem Glas, und geschmolzene Kalksteingerölle und Seekreide sind das Ausgangsmaterial für eine Karbonatschmelze, die zum weißen, überwiegend karbonatischen Bims wird.

Eine Unterstützung erhält diese Deutung durch das Auftreten der beschriebenen reichlich Quarze in den Bimsproben mit planaren Bruchstrukturen (PFs, z.B. Abb. 4, 5), die – zwar nicht streng beweisend – dennoch als ein deutliches Signal für eine Schockbeanspruchung gelten.

Weitere detaillierte Untersuchungen dieses ungewöhnlichen Bims-Materials werden folgen.

Auf die Verwandtschaft des Bimssteins mit dem Chiemgau-Impaktschmelzgestein („Schwimmsteine“) und mit anderen ähnlichen Bildungen (vulkanische  und Impakt-Schlacke [Scoria]) werden wir ebenfalls demnächst eingehen.

Über ein schaumiges Bimssteingefüge in Gläsern des Bosumtwi-Impaktkraters in Ghana schreiben Boamah, D. & Koeberl, C. (2006): Petrographic studies of “fallout” suevite from outside the Bosumtwi impact structure, Ghana. – Meteoritics & Planetary Science 41, Nr 11, 1761–1774.