Chiemgau-Einschlag: Impakt im Experiment

Experimentelle Impakte mit der Erzeugung echter Überschall-Krater (hypervelocity crater) im Labor

hypervelocity impact crater experiments in flour

Abb. 1. Momentaufnahme aus einem Video mit Überschall-Einschlag in Mehl und Kraterbildung. Mit dem Anklicken des Bildes läuft das komplette Video ab.

Im Hinblick auf das immer noch feststellbare Unverständnis für meteoritische Impaktvorgänge, insbesondere auch bei manchen Geologen, freuen wir uns, hier einige Resultate von experimentellen Impakten, die mit Hochgeschwindigkeitskameras aufgenommen wurden, zu präsentieren. Ermöglicht wurde das durch eine Zusammenarbeit des CIRT mit Werner Mehl, einem weltweit bekannten Spezialisten für Ballistik und Hochgeschwindigkeitsfotografie (www.kurzzeit.com).

Krater und Projektil eines experimentellen Überall-Einschlags in Mehl

Abb. 2. Experimenteller Einschlagkrater, der durch ein Projektil (wie es in der Hand liegt) in einem Untergrund aus Mehl erzeugt wurde. Der Auftreffwinkel betrug 30°. Durch  Anklicken des Bildes in Abb. 1 läuft ein Video ab, das den mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommenen Einschlag zeigt. Die äußere ringförmige Falte in der Folie ist nur ein Nebeneffekt des Versuchsaufbaus.

Zu den Einzelheiten des Experimentes ist das Folgende anzumerken: Das Projektil (der „Meteorit“) ist eine Plastikkugel mit einem Durchmesser von 5 mm (Abb. 2). Sie wird aus einer Kanone (Abb. 3)  abgefeuert und hat beim Verlassen des Laufs eine Geschwindigkeit von ca. 1500 m/s. Beim Auftreffen beträgt die Geschwindigkeit immer noch etwa 1250 m/s. Das ist eine sehr bemerkenswert hohe Geschwindigkeit im Hinblick auf den relativ geringen Aufwand, den W. Mehl bei diesen ungewöhnlich aufschlussreichen Experimenten betreibt. Impaktexperimente, die von anderen Institutionen durchgeführt werden, setzen ganz anders dimensionierte „Kanonen“ ein.

Kanone für die Überschall-Impaktexperimente

Abb. 3. Die Kanone mit Einstellung für einen sehr flachen Auftreffwinkel. Rechts am Boden das „Einschlaggebiet“.

Die Geschwindigkeit, auf die die Projektile beschleunigt werden, ist ein grundlegender Faktor bei solchen Experimenten zur Kraterentstehung. Wie hier auf unseren Webseiten wiederholt angesprochen, entstehen echte Impaktkrater durch Einschläge von Überschall-Projektilen, d.h. die Projektile müssen mit einer Geschwindigkeit auftreffen, die größer ist als die Schallgeschwindigkeit im getroffenen Untergrund. Dann entstehen Schockwellen (oder Stoßwellen), die unabdingbar für eine Meteoriten-Kraterentstehung sind. Bei Einschlägen kosmischer Projektile, die mit kosmischer Geschwindigkeit (im Bereich von etwa 10 – 70 km/s) eintreffen, ist das der Fall. Mehr dazu kann man HIER nachlesen.

Dieser Forderung muss man auch im Experiment nachkommen, weshalb die mit der Kanone erzeugte Geschwindigkeit so wichtig ist, ebenso wie die Wahl des Untergrundmaterials. Das hier in diesem speziellen Fall gewählte Mehl erfüllt diese Bedingung. Man kann schätzen, dass die Schallgeschwindigkeit in Mehl in der Größenordnung von 100 m/s liegt, und damit ist die Auftreffgeschwindigkeit der kleinen Plastikkugel mit 1250 m/s deutlich höher. Das hat die Ausbreitung von Schockwellen zur Folge mit dem für den „Uneingeweihten“ höchst überraschenden Ergebnis, dass dieses winzige Projektil einen derart großen Krater erzeugt. Das ist Impakt-Physik!

Das hier abspielbare Video wurde mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommen. Die von W. Mehl eingesetzten Kameras können bis zu 1 Million Bilder/Sekunde aufnehmen, und auch Aufnahmen in 3D mit einem Kamerapaar sind Routine. In den nächsten Berichten über unsere Impaktexperimente werden wir auch solche 3D-Filme mit eindrucksvollen Abläufen von Kraterentstehungen hier veröffentlichen.

Die hier gezeigte Video-Datei hat im Original eine Größe von 1 Gigabyte, was aus verständlichen Gründen in diesem Zusammenhang deutlich zusammengeschnitten werden musste. Schaut man sich das Video an (am besten in vielfacher Wiederholung), so sieht man die wesentlichen Abläufe der Kraterbildung mit der Exkavation und dem entstehenden Vorhang der Auswurfmassen (Ejekta). Sie bilden den Ringwall, der dann in den Schleier mit abnehmender Mächtigkeit um den Krater herum übergeht.

So etwa muss man sich die Entstehung des Tüttensee-Kraters vorstellen, und wir empfehlen den Zweiflern an der Impaktentstehung, die die Hypothese der Toteisgenese immer noch aufrecht erhalten, sich den Film immer wieder anzuschauen. Dann werden sie vielleicht verstehen, wie es zum Ringwall um den Tüttensee gekommen ist, der nach außen in die Katastrophenschicht der Ejekta übergeht, wie sie z.B. in unzähligen Schürfen am Mühlbach, in Grabenstätt (Stefanutti) und an anderen Stellen dokumentiert ist.

Aufschlussreich im Film zu sehen ist, wie bereits während des Wanderns des Ejekta-Vorhangs nach außen beachtliche Massen des gerade entstehenden Ringwalles wieder zurück in den sich noch vergrößernden Krater fließen. Genau das muss man sich auch beim Tüttensee-Krater vorstellen: Schon während und kurz nach der Kraterbildung bewegen sich große Massen des Ringwalles wieder zurück in die Hohlform und füllen diese teilweise wieder auf. Das ist etwas, was auch in den seismischen Messungen auf dem Tüttensee sehr schön zu sehen ist: keine wohlgeschichteten Sedimente unter dem Seeboden, wie sie von anderen Voralpenseen bekannt sind, sondern eine Fülle von sogenannten Diffraktionshyperbeln als Ausdruck von seismischen Beugungseffekten am Schutt der Wiederauffüllung. Dieses nicht berücksichtigte Zurückfließen des Tüttensee-Ringwalles hat ja auch die Geologen des LfU zu der irrigen Annahme und irreführenden Presseerklärung geführt, dass sie mit Ihrer Bohrung zur Datierung der Tüttensee-Sedimente innerhalb des Ringwalles „richtig liegen“ (siehe z.B. die Diskussion HIER).

high-speed ejecta so-called spall plates leaving the growing crater in the very beginning

Abb. 4. Hochgeschwindigkeits-Ejekta (sog. engl. spall plates; einige von ihnen mit Pfeilen markiert) aus der frühen Phase der Kraterbildung. Die Geschwindigkeiten der Partikel betragen mehrere 1000 m/s; das ist erheblich mehr als die Einschlaggeschwindiglkeit von „nur“ 1250 m/s. Im abspielbaren Video (siehe oben) ist das sehr schön zu beobachten.

Interessant in dem Video ist auch die Beobachtung ganz am Anfang sehr kurz nach dem Einschlag, wie einige Auswürflinge unter extrem hoher Geschwindigkeit (abgelesen aus den hochauflösenden Originalaufnahmen: einige 1000 m/s) aus dem entstehenden Krater hinausfliegen (Empfehlung: mehrmals kurz nacheinander immer wieder den Film starten). Die Impakt-Physik erklärt das als Folge von Überlagerung von Schock- und Entlastungswellen in der oberflächennahen sog. Interferenzzone mit dem Hochgeschwindigkeits-Herausschleudern der sog. (engl.) spall plates. Für den Chiemgau-Impakt und den Tüttensee-Meteoritenkrater ist das insofern sehr bemerkenswert, als „erratische“ große Blöcke, die wegen ihres isolierten Auftretens in oberflächenahen reinen Lehmschichten (z.T. in größerer Entfernung vom Tüttensee, beispielsweise in einer Baugrube in Vachendorf) den Einheimischen schon immer Kopfzerbrechen bereitet haben, als solche Spallations-„Geschosse“ angesprochen werden können.

Mehr zu diesem spannenden Thema demnächst.