Regmaglypten auf Kalkstein-Geröllen: Hinweis auf Karbonatschmelze im Chiemgau-Impakt – Nachtrag

Vor etwa 40 Jahren wurde von Thomas Weber, Hettenleidelheim, im Bereich des nördlichen Chiemseeufers zwischen Seebruck und Lambach ca. 30 – 40 m vom Ufer entfernt aus 2 – 3 m Wassertiefe der Stein der Abb. 1 geholt. Ein weiterer, sehr ähnlicher Brocken wurde an derselben Stelle von seinem Begleiter geborgen. Wegen der sehr ungewöhnlichen Oberflächenskulptur wurden die Steine seinerzeit als Sammelobjekte mitgenommen. Thomas Weber hat uns nunmehr, nachdem er sich im Zusammenhang mit der Diskussion über den Chiemgau-Impakt an seinen Fund erinnerte, den Stein zur Untersuchung und Dokumentation zur Verfügung gestellt.

Abb. 1. Ein aus dem Chiemsee geborgenes regmaglyptisches Kalksteingeröll. 

Wir deuten die eigenartige Oberflächenskulptur als Schmelzstrukturen, sogenannte Regmaglypten, die beim Flug des Gerölls durch die heiße Explosionswolke beim Chiemgau-Impakt entstanden. Regmaglypten sind ursprünglich von Meteoriten bekannt, mittlerweile aber auch von irdischen Impaktstrukturen beschrieben worden (Abb. 2).

Ein ausführlicherer Text über Regmaglypten, das hier gezeigte Geröll, Verwechslungsmöglichkeiten mit gewöhnlichen Lösungskarren und eine Erörterung im Rahmen des Chiemgau-Impaktes kann HIER angeklickt werden.

Abb. 2. Erstaunlich ähnlich: Regmaglypten auf der Oberfläche des Tabor-Meteoriten (links) und auf einem Kalkstein-Fragment aus den Puerto Mínguez-Ejekta, Azuara-Rubielos de la Cérida-Impaktstrukturen (Spanien).


Dr. R. Huber von der Universität Bremen hat uns kürzlich mitgeteilt, daß dem (Zit.) Augenschein nach die hier gezeigten Skulpturen das Werk von Endolithen, also von Bakterien und Algen seien. Wir bedanken uns für seinen Hinweis und werden die Strukturen auch noch einmal unter dem Gesichtspunkt biogener Formen untersuchen. Eine endolithische Entstehung halten wir für äußerst unwahrscheinlich und verweisen darauf, daß dem Augenschein nach sehr ähnliche Strukturen dennoch aus ganz unterschiedlichen Prozessen resultieren können. Ein einschlägig typisches Beispiel ist die absolute phänomenologische Übereinstimmung von Produkten regmaglyptischer Schmelzprozesse und Lösungsprozessen im Karst (Karren).

Inzwischen haben wir die sog. “Furchensteine” auch unter dem Gesichtspunkt einer Wirkung von Algen und Bakterien untersucht. Diese Erklärung müssen wir für die von uns (!) beschriebenen Strukturen ausschließen. Wir verweisen dazu auch noch einmal auf den ausführlichen Artikel .

Unter die Lupe genommen: „Der Sturz des Phaethon“:

Diskussion und Erwiderung in der Zeitschrift „Antiquity“

Im Sommer 2010 haben die Historikerin Barbara Rappenglück und andere Wissenschaftler des Chiemgau Impact Research Teams in der renommierten internationalen Fachzeitschrift „Antiquity“ einen durch unabhängige internationale Experten begutachteten (peer review) Aufsatz publiziert unter dem Titel “The fall of Phaethon: a Greco-Roman geomyth preserves the memory of a meteorite impact in Bavaria (south-east Germany)“ (Antiquity 84, 2010, 428-439; http://antiquity.ac.uk/ant/084/ant0840428.htm). In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Antiquity“ versuchen Beamte des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) in einer (keinem Fachgutachterprozess unterworfenen) Rückmeldung auf den Aufsatz von Rappenglück et al., den Umstand eines Meteoriteneinschlags im Chiemgau, den sog. Chiemgau Impakt, grundsätzlich in Frage zu stellen (Doppler et al., Antiquity 85, 2011, 274-277). Rappenglück et al. antworten darauf im selben Heft (Antiquity 85, 2011, 278-280; http://antiquity.ac.uk/ant/085/ant0850278.htm) und weisen die Einwände des LfU zurück. Die Copyright-Richtlinien von „Antiquity“ gestatten es nicht, den Text auf dieser Webseite zugänglich zu machen. Wir bieten hier daher einen Überblick zu unserer Erwiderung.

Doppler et al.s Argumentation stützt sich auf Studien, deren Ansatz für die Impaktforschung ungeeignet ist. Dies sei anhand des folgenden Beispiels illustriert: Doppler et al. bestreiten die Existenz des von uns mit dichten, gezielt angelegten Sonar-Messungen nachgewiesenen 900x400m-Doppelkraters im Chiemsee mit dem Argument, „over 200 km of seismic profiles“ sowie 4 Bohrkerne hätten keine „major disturbance in the sedimentary sequence“ gezeigt. Schauen wir uns zuerst die 200 km seismische Profile an. Projiziert man diese scheinbar beachtliche Länge als rechtwinkliges Netz auf die Fläche des Chiemsees, die eine Ausdehnung von ca. 80 km2 hat, so ergibt sich eine große Maschenweite von ungefähr 800 m. Das bedeutet, dass sogar eine so große Struktur wie der 900x400m-Doppelkrater der Auffindung leicht entgehen konnte. Betrachten wir des weiteren Doppler et al.s vier Bohrkerne. Für die Zielsetzung von Impaktforschung sind vier Bohrkerne verteilt über eine Fläche von 80 km2 der Nadel im Heuhaufen vergleichbar. Darüber hinaus unterliegen Doppler et al. dem Irrtum, dass im Fall von meteoritischen Nebeneinschlägen in den Chiemsee das gesamte Bett des Chiemsees durcheinandergebracht worden sein müsste (Doppler et al. 2011: 276: “They [the cores] produced undisturbed sections and show no indication of a major disturbance in the sedimentary sequence which would be expected from an impact.”). Dieser Gedanke belegt eine amateurhafte Vorstellung von Impaktprozessen und eine völlige Unkenntnis der Geophysik eines Meteoriteneinschlags. Im nächsten Absatz, im Zusammenhang mit Doppler et al.s Bohrung am Tüttensee, wird dies erläutert.

Das zentrale Argument von Doppler et al. basiert auf einer Bohrung am Rand des Tüttensees. Dort fanden sie “an undisturbed sequence ranging from 4800 years ago near the surface to 12 500 years ago from the lake deposits at the base” (Doppler et al. 2011: 274). Aus dieser Beobachtung schließen sie, dass weder der Tüttensee-Kessel ein Meteoritenkrater sei, noch, dass er – wie von uns erschlossen – im sehr späten Holozän entstanden sei, sondern seine Entstehung der letzten Eiszeit verdanke. Doppler et al.s Schlussfolgerung basiert auf der (falschen) Annahme, dass sich die Stelle ihrer Bohrung innerhalb des Kraters befinde. Die Frage, ob diese Stelle innerhalb oder außerhalb des Kraters ist, ist sehr wesentlich im Hinblick auf die beim Impakt freiwerdenden Kräfte, ihre Ausdehnung und ihre Auswirkungen. Der heute sichtbare Rest des Kraterwalls suggeriert, dass sich die Bohrstelle innerhalb des Kraters befinde. Doch ist dieser Eindruck, wie die Graphik zeigt, falsch. Die Bohrstelle befindet sich außerhalb der ursprünglichen Kraterhohlform, wo, den physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Druckausbreitung entsprechend, die Schockintensität bereits so abgefallen war (auf einen maximalen Druck von wenigen kbar), dass geringfügige Deformationen in einem Bohrkern von wenigen Zentimetern Durchmesser nicht mehr erkennbar sind. Genauso ist es nicht möglich, dort noch einen Temperaturanstieg nachzuweisen. Doppler et al.s Kernargument erweist sich so als hinfällig.

Kraterbildung1 3

Stark vereinfachter Ablauf der Kraterbildung und der Ansatz der Bohrung des LfU (erstmalig veröffentlicht in ‚Antiquity‘ 85, 2011, S. 279).

Wir erläutern hier im Gegenzug unseren grundlegenden Beleg für einen Meteoriteneinschlag, den Doppler et al. konsequent ignoriert haben. Planare Deformationslamellen (engl. Planar Deformation Features [= PDF]) in Quarz sind eine Form der Schockmetamorphose von Gestein und gelten nach internationalem Standard als Beleg für einen Impakt (Stöffler & Langenhorst 1994: 165). PDFs entstehen durch sehr kurz wirkende, aber extrem starke Drücke (für die Entstehung von PDFs in Quarz sind minimal 5-10 GPa [50-100 kbar] erforderlich), und können einzig durch Impakte erzeugt werden. Weder tektonische Prozesse noch die Auflast von Gestein oder Eis erzeugen Schockphänomene. Wir haben PDFs in Steinen vom Tüttenseewall und aus der Tüttensee-Ejektaschicht gefunden (sowie in anderen Teilen des Kraterstreufelds) (Ernstson et al. 2010: 82). Diese Steine wurden beim Impakt im Zentrum des Kraters geschockt, aus dem Krater herausgeschleudert und außerhalb abgelagert. Ein Mikroaufnahme von PDFs haben wir in unserem Aufsatz veröffentlicht (Rappenglück et al.: fig. 3); PDFs von verschiedenen Stellen im Kraterstreufeld sind abgebildet in Ernstson et al. 2010: 82. Allein mit diesem Nachweis ist der Chiemgau-Meteoriteneinschlag bestätigt.

Statt sich mit diesen Belegen für Schockmetamorphose auseinanderzusetzen und die international akzeptierte Beweiskraft derartiger Beispiele von Schockmetamorphose für einen Meteoriteneinschlag zu akzeptieren, versuchen Doppler et al., ihre Leser mit ihrer (unhaltbaren) Kritik an Sekundäraspekten (sei es die Frage der Datierung, der kohligen Kügelchen, der stark korrodierten Steine, der verglasten Steine, der Eisensilizide etc.) davon zu überzeugen, dass der Impakt als solches Unsinn sei. Mit dieser Taktik greifen unsere Kritiker zum einen zu einer unwissenschaftlichen Vorgehensweise, zum anderen beweisen sie damit ihre fundamentale Unkenntnis von Impaktforschung und den darin gültigen Nachweiskriterien. Doppler et al. dokumentieren in geradezu absurder Weise selbst diese Unkenntnis, wenn sie von „astronomical conditions required as a criteria for an impact“ sprechen (Doppler et al. 2011: 277, unter Bezug auf Heinlein), die schlicht und einfach nicht existieren. Der Verweis auf Heinlein (Der so genannte „Kelten-Killer-Komet“ – Gab es einen Kometeneinschlag im Chiemgau? Journal für Astronomie, III/2009, Nr. 30, Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V., S. 84-86.) belegt, dass offensichtlich eine Verwechslung von „Nachweiskriterien“ und „Modellrechnungen“ vorliegt. Modellrechnungen sind durch viele Variable gekennzeichnet, die mit fortschreitendem Stand der Forschung immer neu angepasst werden müssen. Als Nachweiskriterium können sie aus diesem Grund nicht dienen, und unsere Kritiker erliegen einem Irrtum, wenn sie sie als ein solches heranziehen wollen. Unter https://www.chiemgau-impakt.de/diskussion finden Sie international akzeptierte Kriterien für einen Impakt und eine Aufstellung, wie der Chiemgau Impakt diese Kriterien erfüllt.

Ergänzende Bemerkungen:

Wir führen hier einige Beispiele dafür an, wie Doppler et al. unseren Text in “Antiquity” (Rappenglück et al. 2010: 428-439) verfälschend handhaben, und die zeigen, dass dem Text von Doppler et al. sogar die fundamentalen formalen Anforderungen an eine wissenschaftliche Debatte fehlen.

Doppler et al. (2011: 274) behaupten, wir würden den Chiemgau Impakt “some 2500 years ago” in die Eisenzeit datieren. Tatsächlich aber haben wir das Ereignis 4200-2800 Jahre zurück datiert (2200-800 v. Chr.), d. h. in die Bronzezeit (Rappenglück et al. 2010: 436).

Doppler et al. (2011: 274) behaupten, wir würden den Impakt durch den Mythos datieren. Das ist falsch: Wir haben den Impakt und den Mythos unabhängig voneinander datiert und dann die Daten verglichen (Rappenglück et al. 2010: 435-37).

Doppler et al. behaupten (2011: 276), wir würden sagen, der Chiemsee habe einst den Tüttensee eingeschlossen. Das ist schlicht und einfach nicht wahr, und natürlich können sie keine Belegstelle in unserem “Antiquity”-Aufsatz angeben, an der diese angebliche Behauptung stehen würde. Diese Art des Umgangs mit unserem Text ist mindestens schlampig zu nennen, wenn es sich nicht sogar um willentlich verzerrende Wiedergabe handelt.

Bemerkenswerterweise findet man diesen Umgang mit Texten auch bei Studien, mit denen sie ihre Statements zu untermauern versuchen: Doppler et al. (2011: 277) behaupten, Möslein habe die zur Diskussion stehende Ablagerung in Stöttham als “anthropogenic” bezeichnet. Natürlich geben sie keine Referenz an, denn in seinem Grabungsbericht (Möslein, S., 2009. Grabungsbericht. Chieming TS, Stöttham-Dorfäcker 2007/08. Technical report, Bad-Tölz, unpubl.; einsehbar im Landratsamt Traunstein) äußert sich Möslein überhaupt nicht zum Ablagerungsprozess dieser Schicht (Möslein 2009: 14f.).

Auch zitieren Doppler et al. (2011: 276) Gareis (Gareis, J. 1978. Die Toteisfluren des bayerischen Alpenvorlandes als Zeugnis für die Art des spätwürmzeitlichen Eisschwundes [Würzburger Geographische Arbeiten 46]. Würzburg) als Kronzeugen für die glaziale Entstehung der Tüttenseelandschaft. Doch Gareis (1978: 68) schließt mehrere Male die glaziale Genese von Teilen des Tüttensee-Ringwalls explizit aus. Mit diesen Beispielen gerät Doppler et al.s Text selbst unter rein formalen Gesichtspunkten ins Zwielicht.

Zur weiteren Lektüre empfohlen:

Ernstson, K., Mayer, W., Neumair, A., Rappenglück, B., Rappenglück, M.A., Sudhaus, D., Zeller, K.W. (2010), The Chiemgau Crater Strewn Field: Evidence of a Holocene Large Impact Event in Southeast Bavaria, Germany: Journal of Siberian Federal University, Engineering & Technologies 3 (1), 72-103. (http://elib.sfu-kras.ru/bitstream/2311/1631/1/04_.pdf)

Hiltl, M., F. Bauer, K. Ernstson, W. Mayer, A. Neumair, M.A. Rappenglück (2011), SEM and TEM analysis of minerals xifengite, gupeiite, Fe2Si (hapkeite?), titanium carbide (TIC) and cubic moissanite (SiC) from the subsoil in the Alpine Foreland: Are they cosmochemical?: 42nd Lunar and Planetary Science Conference, 1391.pdf. (http://www.lpi.usra.edu/meetings/lpsc2011/pdf/1391.pdf)

Liritzis, I., N. Zacharias, G.S. Polymeris, G. Kitis, K. Ernstson, D. Sudhaus, A. Neumair, W. Mayer, M.A. Rappenglück, B. Rappenglück (2010), The Chiemgau Meteorite Impact and Tsunami Event (Southeast Germany): First OSL Dating: Mediterranean Archaeology & Archaeometry, Vol.10, No. 4, (in press).

Rappenglück B., K. Ernstson, W. Mayer, A. Neumair, M.A. Rappenglück, D. Sudhaus, K.W. Zeller (2009), The Chiemgau impact: an extraordinary case study for the question of Holocene meteorite impacts and their cultural implications, Proceedings, Cosmology across cultures, ASP Conference Series 409, San Francisco, Astronomical Society of the Pacific, 338-343. (http://www.aspbooks.org/a/volumes/article_details/?paper_id=30130)

Rappenglück, B., M.A. Rappenglück, K. Ernstson, W. Mayer, A. Neumair, D. Sudhaus, I. Liritzis (2010), The fall of Phaethon: a Greco-Roman geomyth preserves the memory of a meteorite impact in Bavaria (south-east Germany), Antiquity 84, 2010, 428-439. (http://antiquity.ac.uk/ant/084/ant0840428.htm)

Schüssler, U., M. Rappenglück, K. Ernstson, W. Mayer, B. Rappenglück (2005), Das Impakt-Kraterstreufeld im Chiemgau: European Journal of Mineralogy 17, Beihefte 1, 124.

Streit um Meteoritenkrater im Chiemgau

Nachtrag

Am 25.8.2010 schreibt Wissenschaftsredakteur Markus Becker in SPIEGEL online einen längeren Artikel zum Thema:
Chiemgau-Einschlag – Forscher halten Kelten-Kometen für Legende

Am Schluss seines Textes, der relativ ausgewogen beide Seiten zu Wort kommen lässt, insbesondere aber auch ausführlicher auf die wissenschaftlichen, den Impakt stützenden Untersuchungen anderer Forschergruppen eingeht, wird Dr. Roland Eichhorn, Abteilungsleiter Geologie am Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) so zitiert:

LfU-Geologe Eichhorn versucht nun offenbar, den Anhängern der Meteoritentheorie eine goldene Brücke zu bauen. Denn dass ein kosmisches Geschoss den Tüttensee erschaffen habe, sei auch nach der neuen Untersuchung weiterhin möglich. „Vielleicht sollte man in der Eiszeit weiterforschen“, schlägt Eichhorn vor.

Das CIRT meint dazu, dass hier nicht den Anhängern der Meteoritentheorie eine goldene Brücke gebaut werden soll. Vielmehr erscheint es so, als ob Dr. Eichhorn sich selbst und seinen Mitarbeitern eine goldene Brücke bauen möchte, um ohne allzu großen Gesichtsverlust aus der Angelegenheit herauszukommen. Allerdings zeigt sein Hinweis auf einen möglichen Meteoriteneinschlag mit der Bildung des Tüttensees in der Eiszeit erneut, dass Dr. Eichhorn und seine Mitarbeiter sich bis heute absolut kein Bild von den geologischen Vorgängen und Beobachtungen am Tüttensee gemacht haben. Wie in allen Publikationen des CIRT, in Fachjournalen und im Internet, nachzulesen und im Impakt-Museum in Grabenstätt eindrucksvoll präsentiert, muss der Impakt viele tausend Jahre nach der Eiszeit stattgefunden haben. Das zeigen unwiderlegbar die archäologischen Funde in der Impakt-Katastrophenschicht, in der sie zusammen mit den diagnostischen Impaktgesteinen angetroffen werden.

Auf eine Brücke in Richtung CIRT könnte das LfU zugehen, wenn sich Dr. Eichhorn entschließen könnte, mit seinen Mitarbeitern eine Exkursion unter wissenschaftlicher Leitung des CIRT an den Tüttensee und in das Impakt-Museum in Grabenstätt zu machen. Die Geologen vom LfU könnten sich endlich ein Bild von einer der faszinierendsten geologischen Stellen der jüngsten geologischen Geschichte in Bayern machen. Das CIRT meint, dass dafür der Steuerzahler vermutlich Verständnis hätte.

Auch eine andere Sache im SPIEGEL online-Bericht soll noch nachgetragen werden. In der Bilderfolge zu diesem Bericht werden Luftbilder von der Eggstätter Seenplatte nordwestlich vom Chiemsee gezeigt, mit der Bildunterschrift, dass es sich dabei um vom CIRT angesehene Meteoritenkrater handele. Das ist unzutreffend. Die Aufnahmen wurden dem SPIEGEL bereits von mehreren Jahren in einem anderen Zusammenhang übergeben. Sie sollten dem SPIEGEL-Redakteur klar machen, dass die einfache morphologische Signatur einer wassergefüllten Hohlform nichts über ihre Genese aussagt, sondern dass erst intensive geologische, geophysikalische und mineralogische Untersuchungen dafür notwendig sind. Dieses Beispiel greifen wir aber gerne wieder auf im Zusammenhang mit dem Tüttensee, für den es diese intensiven Studien ja nun in der Tat gibt und mit denen der Toteisursprung widerlegt wird. Ob es sich bei der Eggstätter Seenplatte überhaupt um Toteissenken handelt, wie allgemein von den Eiszeitgeologen vor Ort angenommen, ist ohnehin fraglich. Seen im Alpenvorland können durch die verschiedensten Prozesse entstanden sein, und selbst Eiszeitforscher mahnen an, dass die eiszeitlichen Toteislöcher seit Generationen von Geologen und Geographen als reine Spekulation anzusehen seien, für die niemals Belege vorgelegt wurden. In diesem Zusammenhang ist die kluge wissenschaftliche Abhandlung von Manfred R. Martin „Zu den für die Eiszeitglaziologie wichtigen kleinen Hohlformen und zur Frage des Entstehens der Sölle; viademica.verlag, Berlin 2007“ zu nennen.

Und hier dazu der empfehlenswerte Link zur Internetseite von Manfred R. Martin: Forschungen zur Eiszeitglaziologie!

Neu in der Diskussion:

Streit um Meteoritenkrater im Chiemgau – Erwiderung des Chiemgau Impact Research Teams auf die Pressemitteilung des Bayerischen Landesamtes für Umwelt
Kurzfassung

In einer Pressemitteilung an die Deutsche Presseagentur dpa verweist Dr. Roland Eichhorn, Leiter der Geologieabteilung am Bayerischen Landesamt für Umwelt (= LfU), auf eine Internetpräsentation mit Resultaten des Amtes, die den Meteoriten-Einschlagcharakter des Tüttensees zurückweisen und den Toteisursprung erneut bekräftigen sollen.
Bei genauerem Hinsehen und Analyse der Internetpräsentation wird ersichtlich – für den normalen Leser kaum erkennbar – dass die Bodenproben, auf die sich die Argumentation des Amtes stützt, nicht, wie es die Pressemitteilung nahelegt, aus dem Kesselboden entnommen wurden, sondern vom Rand des Sees. Der Begriff „Kesselboden“ soll dem Leser wohl suggerieren, es handle sich um Proben aus der Mitte des Sees. Das Chiemgau Impact Research Team (= CIRT) hat bereits vor Jahren anhand einer eigenen Gravimetriemessung (Schwerkraftmessung) und Probenentnahmen, sowie Daten, die aus einer Seismikmessung (Sedimentecholot) zur Verfügung gestellt wurden, festgestellt, dass in der betreffenden Uferregion des Sees ungestörte Bodenverhältnisse anzutreffen sind. Das LfU hätte sich bei entsprechender Kommunikation mit dem CIRT viel Arbeit und den überflüssigen Einsatz von Steuergeldern ersparen können.
Die sowohl vom CIRT als auch jetzt vom LfU festgestellten Befunde überraschen das CIRT nicht. Dass das LfU meint, mit seinen Ergebnissen der Meteoritenkrater-Theorie des CIRT nun den Garaus gemacht zu haben, offenbart nur, dass das LfU keine Experten hat, die mit den komplizierten geophysikalischen Prozessen bei einem Meteoriteneinschlag vertraut wären. Warum die Befunde am Seeufer mit der Theorie eines Meteoriteneinschlags problemlos vereinbar sind, erläutert das CIRT auf seiner Webseite www.chiemgau-impakt.de.
Im Übrigen unterläuft dem LfU ein bemerkenswerter Argumentationsfehler: Eine Datierung kann nicht als Widerlegung eines Meteoriteneinschlags herhalten, sondern höchstens den Zeitpunkt des Ereignisses betreffen. Mit den geologisch-mineralogischen Nachweisen für einen Meteoriteneinschlag dagegen, die das CIRT zuhauf rund um den Tüttensee vorgefunden und in einem peer-reviewed wissenschaftlichen Aufsatz veröffentlich hat, hat sich das LfU nicht auseinandergesetzt.
Abschließend sei auf die eindeutig polemische Zielsetzung der Pressemitteilung des LfU verwiesen: Niemand vom CIRT und auch sonst kein ernst zu nehmender Forscher, wenn überhaupt irgendwer, hat jemals behauptet, dass der Tüttensee im Zusammenhang des sog. Clovis-Impakts in Nordamerika vor ca. 12.500 entstanden sei. Diese Äußerung kann nur als billige Stimmungsmache verstanden werden.
Die detaillierte Stellungnahme des CIRT zur Pressemitteilung des LfU können Sie hier anklicken:

IMPAKT-KRITERIEN für das Chiemgau-Impaktereignis und Meteoritenkrater-Streufeld

Wann ist ein Meteoritenkrater ein Meteoritenkrater?

macha
Image courtesy Google Earth

Es gibt Leute, die glauben, daß das dann der Fall ist, wenn ein diskutierter Krater von einem Gremium für akzeptiert befunden wird und dann in eine offizielle Datenbank Eingang findet, wie es z.B. bei der Datenbank Earth impact database der Universität von New Brunswick in Kanada der Fall ist. Andere Leute sind dagegen überzeugt, daß ein Meteoritenkrater dann ein Meteoritenkrater ist, wenn es klare wissenschaftliche Befunde für einen meteoritischen Ursprung gibt, und diese Leute bezweifeln, daß irgendein Gremium zuständig sein kann, um über Resultate wissenschaftlicher Forschung zu befinden. Das ist ein Grund, warum unterschiedliche Datenbanken ganz unterschiedliche Zahlen für etablierte irdische Meteoritenkrater (Impaktstrukturen) nennen. Lassen wir diesen feinen Unterschied einmal beiseite, so gibt es eine ganze Reihe von Kriterien (z.B. morphologische, geologische, geophysikalische, mineralogisch-petrographische, geochemische) als Basis für eine Beurteilung eines Meteoritenkraters, und einige dieser Kriterien gelten als Beweis für einen Impakt. Mit anderen Worten und um es einfach auszudrücken: Bei der Kartierung basaltischer Gesteine im Gelände wird man überzeugt sein, es mit Vulkanismus zu tun zu haben, und bei der Kartierung von Gesteinen mit Schockmetamorphose wird man überzeugt sein, daß in der Nähe ein Impakt stattgefunden haben muß.

Impakt-Kriterien – zwingende und weniger zwingende – wie sie von Norton, O.R. (2002): The Cambridge Encyclopedia of Meteorites. – Cambridge University Press, pp. 291-299, und French, B.M. (1998): Traces of Catastrophe. A Handbook of Shock-Metamorphic Effects in Terrestrial Meteorite Impact Structures. Lunar and Planetary Institute, pp. 97-99 (hier ein (Download der pdf-Datei), und anderen zusammengestellt wurden, sind:

1. Morphologie

Grundsätzlich runde Strukturen; Vertiefungen mit Ringwällen oder/und Zentralhügeln/-bergen, Mehrfachring-Strukturen. Morphologie ist letztlich wenig aussagekräftig, da viele andere geologische Strukturen kreisrund oder ringförmig sein und andererseits echte Impaktstrukturen stark von einer solchen Form abweichen können.

2. Geophysikalische Anomalien

Viele Impaktstrukturen sind eng mit charakteristischen gravimetrischen und magnetischen Anomalien verknüpft, aber umgekehrt erlauben gemessene Anomalien im allgemeinen nicht, von ihnen auf ein Impaktereignis zu schließen. Seismische Reflexionsmessungen mögen im Untergrund verborgene Impaktstrukturen anhand charakteristischer Schichtlagerung aufzeigen.

3. Geologische Merkmale

In Impaktstrukturen und um sie herum findet man regelmäßig: starke Deformationen, Faltung, Verwerfungen, Zerbrechungen; polymikte und monomikte Brekzien und Brekziengänge, Megabrekzien; Hochdruck-/Kurzzeit-Deformationen von Klasten in unverfestigter Matrix; Gesteine, die wie Vulkanite oder Magmatite aussehen; Horizonte aus exotischem Material.

4. Hochtemperatur-Merkmale

Schmelzgesteine, natürliche Gesteinsgläser; Brekzien mit Schmelzgesteins- und Glaskomponenten.

5. Hochdruck-Merkmale – Schockmetamorphose (Schockeffekte)

Planare Deformationsstrukturen (PDFs) in Quarz, Felspäten und anderen Mineralen; planare Brüche (PFs) in Quarz, diaplektische Quarze und Feldspäte, diaplektische Gläser; multiple Scharen intensiver Knickbänderung in Glimmern, multiple Scharen von Mikrozwillingen in Calcit. Knickbänder in Glimmer und planare Brüche (Spaltbarkeit) in Quarz sind auch von extremer tektonischer Deformation bekannt.

6. Shattercones

Steinheim shatter cone Sudbury shatter cone

Shattercones, hier in Kalkstein aus dem Steinheimer Becken und in Quarzarenit aus der Sudbury-Impaktstruktur, sind charakteristische schockerzeugte kegelförmige Bruchflächen, die in allen Festgesteinen auftreten können. Shattercone-Bruchflächen zeigen die ganz typischen „Pferdeschwanz“-Bruchflächenmarkierungen.

7. Besondere Merkmale

Auftreten von Mikro- und Nanodiamanten; akkretionäre Lapilli; verschiedene Arten von Sphärulen. – Sphärulen können auch anthropogen sein.

8. Meteoriten-Bruchstücke

Sie fehlen in größeren Meteoritenkrater in den allermeisten Fällen, und zwar wegen der vollständigen Verdampfung des Projektils beim Aufschlag. Mikroskopischer geochemischer Nachweis des Impaktors ist prinzipiell möglich. Bruchstücke des Meteoriten werden im allgemeinen bei jungen, kleinen Kratern gefunden. Allerdings sind die im Macha-Kraterstreufeld (Jakutien) gefundenen wenigen Partikel, die man für meteoritisch hält, nicht größer als 1,2 mm.

9. Direkte Beobachtung (historische Aufzeichnung)

Abgesehen von beobachteten Meteoritenschauern (z.B. Sikhote Alin) sind Impakte, die einen Meteoritenkrater gebildet haben, nicht überliefert. Geomythen mögen als Dokumente beobachteter/erlebter Impakte gedeutet werden.

Gegenwärtiges Einvernehmen besteht dahingehend, daß die Punkte 5. Schockeffekte, 6. Shattercones, 8. Meteoritenbruchstücke und 9. Direkte Beobachtung bereits jeder für sich allein genommen eine Bestätigung für ein Impaktereignis darstellen.

Die Kriterien 1. – 9. – angewendet auf
das Chiemgau-Kraterstreufeld

1. Morphologie – ja

Unzählige kreisförmige Krater mit Ringwällen.

rimmed crater no. 004

Der Krater 004 im Chiemgau-Kraterstreufeld mit einem Durchmesser von 11 m. Man beachte den ausgeprägten Ringwall.

2. geophysikalische Anomalien – ja

– Negative Schwereanomalie des Tüttenseekraters umgeben von einer bemerkenswerten Zone relativ positiver Anomalien.

– Ein ausgeprägter Horizont stark erhöhter magnetischer Bodensuszeptibilität im Streufeld

Tüttensee gravity anomaly

Gravimetrie: Bouguer-Restfeldanomalie des Tüttensee-Krater.

soil magnetic susceptibility

Anomalie in einem Bodenprofil der magnetischen Suszeptibilität nahe dem Tüttenseekrater

3. Geologische Merkmale – ja, viele

Tüttensee breccia

Bunte polymikte Impaktbrekzie aus der Schicht der Tüttenseekrater-Auswurfmassen.coherent clasts

Stark zerbrochene jedoch kohärent verbliebene Karbonat- und Silikatklasten aus der Schicht der Tüttenseekrater-Auswurfmassen: Anzeichen einer Hochdruck-/Kurzzeit-Deformation.

squeezed cobble

Stark zerbrochenes und gequetschtes jedoch kohärent verbliebenes Quarzitgeröll vom Ringwall des Tüttensee-Kraters: Anzeichen einer Hochdruck-/Kurzzeit-Deformation.Stöttham exotic layer

Der exotische Impakt-Horizont (Pfeil) von Stöttham.

4. Hochtemperatur-Merkmale – ja

Tüttensee impact melt rock

Bimsartiges Impakt-Schmelzgestein vom Tüttensee-Krater..welded cobbles

Zwei glasummantelte Gerölle, die durch schlackeartiges Glas miteinander verschweißt sind (aus Krater 004).

melt rock

Schnitt durch ein silikatisches Geröll von Krater 004. Extrem blasenreiches und zerrissenes Gestein, in dem außer Quarz alle Minerale mehr oder weniger in Glas umgewandelt sind, was dem Gestein die dunkle Farbe verleiht. Die weit geöffneten Risse mögen von einer Schock-Spallation herrühren.

5. Schockmetamorphose (Schockeffekte) – ja

PDFs, Tüttensee PDFs, Popigai

„Getoasteter“ Quarz mit multiplen Scharen von PDFs. Dünnschliff-Aufnahme, xx Polarisatoren, Quarzit-Geröll vom Ringwall des Tüttensee-Kraters. „Getoasteter“ Quarz ist ein verbreitetes Merkmal in geschockten Körnern und wird mit winzigsten Flüssigkeitseinschlüssen erklärt. – Rechts zum Vergleich: Getoasteter Quarz mit PDFs aus der Popigai-Impaktstruktur (Russland).

PDFs, crater 004

Zwei Scharen planarer Deformationsstrukturen (PDFs) in Quarz; Dünnschliff-Aufnahme, xx Polarisatoren, Bildbreite 1,5 mm; Quarzitgeröll vom Chiemgau-Impaktkrater 004. Die schwach gebogenen PDFs dürfen nicht irritieren: Obwohl es Autoren gibt, z.B. Reimold & Koeberl (2000), die gebogene PDFs als nicht-impaktogen bezeichnen, zeigen das Beispiel der gebogenen Popigai-PDFs im Bild oben und viele weitere Beispiele aus verschiedenen Impaktstrukturen, daß die Meinung von Reimold & Koeberl unzutreffend ist.

shocked plagioclase

Zwillingslamellen und multiple Scharen von PDFs in Feldspat. Dünnschliff-Aufnahme, xx Polarisatoren; Impakt-Schmelzgestein vom Tüttensee-Krater.

6. Shattercones – ja

shatter cone Tüttensee

Shattercones vom Tüttensee in gegenläufiger Position. Gestein: feinkörniger Sandstein.

7. Besondere Merkmale – ja

Nanodiamanten – ja

Artikel

Rösler W., Hoffmann V., Raeymaekers, B., Schryvers, D. and Popp, J. (2005) Diamonds in carbon spherules – evidence for a cosmic impact? (http://www.lpi.usra. edu/meetings/metsoc2005/pdf/5114.pdf; 7.5.2006).

Akkretionäre Lapilli – ja

Lapillo Chiemgau Lapillo Chiemgau2

Akkretionäre Lapilli (rechts mit einem Kern aus metallischen Fragmenten) aus dem Chiemgau-Impaktstreufeld. Lapilli-Durchmesser etwa 4 – 5 mm. Gewöhnlich sind akkretionäre Lapilli vom Vulkanismus her bekannt, aber sie sind auch bei Impaktstrukturen nachgewiesen worden, wo sie sich in der Impakt-Explosionswolke gebildet haben.

Sphärulen – ja

glass spherule

2 mm große zerbrochene Glassphärule aus der Stöttham-Impaktschicht.carbon spherules

Kohlenstoff-Sphärulen von verschiedenen Stellen im Chiemgau-Impaktstreufeld. Siehe auch: Yang, Z.Q. et al., 2008: TEM and Raman characterization of diamond micro- and nanostructures in carbon spherules from upper soils. – Diamond and Related Materials 17/6: 937-943.

8. Meteoriten-Bruchstücke – wahrscheinlich ja

Exotisches Material wie die Eisensilizide Gupeiit und Xifengit sowie Karbide wie Titankarbid und das Siliziumkarbid Moissanit deuten auf einen extraterrestrischen Ursprung.

moissanite

REM-Bild von Moissanit-Kristallen in Eisensilizid-Matrix. Probe aus dem Chiemgauer Meteoritenkrater-Streufeld.

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Vergleich der Analysen von einem Chiemgauer Gupeiit und meteoritischem Suessit.

9. Direkte Beobachtung (historische Aufzeichnung) – möglicherweise ja

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Peter Paul Rubens: Der Fall des Phaethon, National Gallery of Art, Washington

Dieter Heinlein: Der so genannte „Kelten-Killer-Komet“

Dieter Heinlein: Der so genannte „Kelten-Killer-Komet“ – Gab es einen Kometeneinschlag im Chiemgau?

Artikel gedruckt in: Journal für Astronomie, III/2009, Nr. 30, Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V., S. 84-86.

Am 23.9.2009 hat Dr. Michael Rappenglück als Reaktion auf diesen Artikel von Dieter Heinlein an die Herausgeber des Journal für Astronomie einen e-Mail-Brief mit der Bitte um Druck eines diesbezüglichen Diskussionsbeitrages geschrieben. Entgegen den Gepflogenheiten im wissenschaftlichen Zeitschriftenwesen erfolgte keinerlei Reaktion durch die Redaktion. Sie hielt es nicht für nötig, eine Begründung für die Zurückweisung des Artikels zu geben; nicht einmal der Brief von Dr. Rappenglück wurde beantwortet.

Der bei der Redaktion des Journal für Astronomie eingereichte aber nicht zur Kenntnis genommene Artikel ist in voller Länge hier zu lesen.

Die archäologische Ausgrabung Chieming-Stöttham, Archäologe Dr. Möslein und die Süddeutsche Zeitung (SZ)

Am 11.10.2008 hielt Dr. Stephan Möslein auf dem 9. Mitarbeitertreffen der Bodendenkmalpflege in Oberbayern, Veranstalter das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) und die Gesellschaft für Archäologie in Bayern e.V., in Ingolstadt einen Vortrag mit dem Titel

Archäologische Pionierarbeit in einer besonderen Fundlandschaft – Bemerkungen zu zwei Grabungen im Chiemgau.

Im Vortrag geht Dr. Möslein insbesondere auf seine Ausgrabung in Chieming-Stöttham ein, worüber uns eine Reihe von Zuhörern berichtet haben. Darüber hinaus greift ein Artikel der SZ diesen Vortrag im Zusammenhang mit dem Chiemgau-Impakt auf, der unter dem Titel

Den Kelten fiel der Himmel auf den Kopf …

… oder eben auch nicht: der Streit um den angeblichen Chiemgau-Impakt ist symptomatisch.

gedruckt wurde.

Zum Verständnis der Vorgänge erinnern wir:

Auf einem Baugrundstück in Chieming-Stöttham wird aufgrund früherer archäologischer Oberflächenfunde eine Ausgrabung auf mögliche Besiedlungsspuren angeordnet, die Dr. Möslein übertragen wird. Zuvor war Dr. Möslein durch das Chiemgau Impact Research Team (CIRT) bereits in die Untersuchung der archäologische Objekte führenden Impaktschichten am Tüttensee eingebunden. Kurz nach Beginn der Ausgrabung Stöttham stellt Werner Mayer vom CIRT fest, dass ein exotischer Gesteinshorizont in die archäologische Abfolge eingelagert ist, und rasch wird klar, dass es sich dabei allem Anschein nach um eine Impakt-Schicht des Chiemgau-Impaktes handelt. Die Bedeutung einer solchen, auf der Welt bisher einmaligen archäologisch-geologischen Stratigraphie wird gemeinsam (CIRT, Dr. Möslein) gewürdigt, woraus sich eine nahezu freundschaftliche Kooperation aus Archäologie, Erdwissenschaften und Impaktforschung anzubahnen scheint, was auch nicht dadurch getrübt wird, dass der Archäologe durch die selbst für Geologen fremde Welt einer Impaktschichtung sehr verwirrt ist, wie Dr. Möslein selbst immer wieder bekennt. Noch im Januar 2008 (25.1.) beim gemeinsamen Jahresvortrag des CIRT in Traunstein reiht sich Dr. Möslein bei den anderen Vortragenden (Dr. Rappenglück, B. Rappenglück, Dr. Sudhaus, Prof. Ernstson) mit seinem archäologischen Beitrag zur Impaktschicht innerhalb der stratigraphischen Abfolge der Ausgrabung Stöttham ein.

Der dann im Laufe des Jahres 2008 einsetzende Bruch ist schwer nachvollziehbar und soll hier auch nicht weiter erörtert werden. Wir wollen nur festhalten, dass nach Berichten von Zuhörern von Dr. Mösleins Vortrag in Ingolstadt dieser kein gutes Haar am CIRT lässt, worauf auch der Artikel der SZ schließen lässt. Aufschlussreich ist die von der SZ zitierte Aussage Dr. Mösleins, dass sich die angeblich vom Einschlag stammende Kiesschicht angesichts der in ihr gemachten Funde nicht erst in der Zeit der Kelten entstanden sein könne. Das ist die charakteristische, in der Archäologie weit verbreitete Ansicht, dass eine Schicht so alt ist wie die in ihr gemachten Funde – Ausdruck eines fehlenden Verständnisses für geologische Vorgänge. Wenn wir Dr. Möslein beim Wort nehmen, dann müssten die in der Schicht gefundenen alpinen Gesteine diese Schicht hundert Millionen Jahre oder älter machen. Um es noch deutlicher zu machen: Nur die jüngst datierbaren, in die Schicht eingearbeiteten Funde (über die wir in Kürze berichten werden) lassen eine Zeitstellung terminus post quem zu.

Und auch die Verwendung des Begriffes „Kiesschicht“ für die Stötthamer Impaktbrekzien-Ablagerung mit Ihren Gesteinszertrümmerungen, Hochtemperatur-Merkmalen und Schockeffekten macht deutlich, dass Dr. Möslein sich mit der Geologie schwer tut. Wir meinen, dass eine Fortführung der ursprünglich sehr guten Zusammenarbeit mit den Geologen und Bodenkundlern des CIRT auch seiner archäologischen Ausgrabung gut getan hätte.

In diesen Fall hätten auch die in der SZ angeführten bzw. zitierten Kommentare von Toni Drexler (Archäologe Landkreis Fürstenfeldbruck) und Dr. Hubert Fehr (BLfD) anders ausfallen können. Sie beklagen, dass die Archäologie ein Problem damit habe, ihre Erkenntnisse verständlich oder gar publikumswirksam aufzubereiten, was dazu führe, Tür und Tor für spektakuläre, oft nicht seriöse Theorien zu öffnen. Und: Ein Akzeptanzproblem entstehe, wenn die Erfolge der Archäologie nicht dargestellt werden können, verbunden mit der Gefahr, dass die Archäologie nur noch als Einrichtung zur reibungslosen Entsorgung von Altlasten wahrgenommen wird. Das und genau das spiegelt die archäologische Ausgrabung Stöttham wider. Anstatt den Chiemgau-Impakt fortwährend als Unfug (Text SZ) und nicht seriöse Theorie hinzustellen (in diese Richtung zielt ja wohl T. Drexler), hätte die bayerische Archäologie die wirklich großartige Möglichkeit gehabt, bei der Ausgrabung Stöttham einmalige archäologische Befunde und Erkenntnisse verständlich und vor allem in hohem Maße publikumswirksam darzustellen. Durch ihr Beharren auf der „Oberhoheit über den Boden“ (Zitat Dr. Rappenglück in der SZ) und das Verweigern einer Diskussion mit der Fachwissenschaft aus Geowissenschaft und Impaktforschung wurde eine Riesenchance vertan.