Geologisch-geophysikalische Feldarbeit statt Lehrbuchwissen
Am Freitag vergangener Woche meldet ein Pilzsammler ein offensichtlich ganz frisch entstandenes Donnerloch im Wald (Abb. 1), das mittlerweile bereits das achte gemeldete Donnerloch in diesem Jahr in der Region Kienberg nördlich vom Chiemsee ist.
Abb. 1. Das frisch entstandene Donnerloch im Raum Kienberg. Fotos H. Schiebl.
Die Besonderheit: Bei einem Durchmesser von etwa 1 m beträgt die Tiefe mindestens 7 m. Der Bedachtsamkeit des Pilzsammlers ist es zu verdanken, dass die offiziellen Stellen informiert werden und Polizei und Feuerwehr zur Absicherung anrücken. Es gehört nicht allzu viel Fantasie dazu, sich unaufmerksamere Spaziergänger, spielende Kinder und die Folgen vorzustellen. In 7 m Tiefe unter der Erdoberfläche dürfte ein Handy wohl auch nicht mehr funktionieren. Das ist der eine Punkt.
Der andere Punkt: Durch die Meldung an die Polizei ist das spektakuläre Phänomen der Donnerlöcher urplötzlich für die Medien, Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen hochinteressant geworden. Mit zwei Resultaten. Zum einen melden sich wieder die vielen selbsternannten „Experten“ für Geologie, Geophysik und Impaktforschung in Zeitungsleserbriefen und Internet-Blogs, um sich mit „klugen Weisheiten“ zur Entstehung der Donnerlöcher als Besserwisser darzustellen. Natürlich ohne sich je auch nur ein klein wenig informiert oder gar eine einschlägige Ausbildung genossen zu haben.
Zu den selbsternannten „Experten“ gehört auch der schon wiederholt im Zusammenhang mit dem Chiemgau-Impakt mit seinem Blog in Erscheinung getretene Dr. Robert Huber von der Universität Bremen. Er, der schon mal Gravimeter-Messungen nicht von Magnetometer-Messungen unterscheidet und auch sonst überaus kuriose geologische Konstruktionen zum Besten gibt, hat sich nunmehr auch der Donnerlöcher angenommen. Nach seinen Ausführungen zu urteilen ist zu vermuten, dass er sich seine Geologie-Bücher aus der Studienzeit hervorgeholt und gelesen hat, was für Prozesse für die Entstehung von Erdfällen in Frage kommen. Dabei merkt er offenbar gar nicht, dass er die spezielle Ausbildung der Donnerlöcher mit Bodensenken verwechselt bzw. gleichsetzt und Erklärungen für die Entstehung dieser Senken anbietet. Mehr ist hier zu Dr. Huber nicht zu sagen.
Wesentlicher ist der Punkt, wie von amtlicher Stelle mit dem Phänomen umgegangen wird. Vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU), geologischer Dienst mit der Abteilung Ingenieurgeologie, Georisiken, wurde das Thema erst kürzlich auf Initiative des oben erwähnten Dr. Huber aufgriffen, dabei aber das Gefahrenpotenzial durch den verantwortlichen Dienststellenleiter Dr. Poschinger als gering eingestuft. Auch für Dr. Poschinger sind die bekannten Lehrbuch-Erklärungen das Maß der Dinge:
— Offene Klüfte in den durch Eistektonik deformierten Konglomeraten
— Hohlräume aufgrund der Verwitterung und Lösung von Geröllen, insbesondere in „geologischen Orgeln“
— Unterirdische Ausspülungskanäle in Feinsanden bis Schluffen bis zu tiefer gelegenen Vorflutern.
Wir vermuten, dass auch im Zusammenhang mit dem jetzigen Medieninteresse das LfU bei dieser Linie bleiben wird, zumal die „Verteufelung“ des Chiemgau-Impaktes durch das LfU schon fast Legende ist.
Aus diesem Grund wollen wir hier noch einmal kurz die wesentlichen Punkte der geologischen und geophysikalischen Forschungen zum Phänomen der Donnerlöcher stichpunktartig zusammenstellen, die das bisher zitierte Lehrbuchwissen der regionalen und lokalen Geologen als hier grundsätzlich nicht anwendbar entlarven. (Erläuternde Bilder können durch Klicken auf die blau markierten Wörter/Begriffe heruntergeladen werden.)
1. Im Gegensatz zu allen bisherigen geologischen, meist sehr vagen Erklärungen aus dem Lehrbuch haben die Forscher des Chiemgau Impact Research Team (CIRT) nach gutem wissenschaftlichen Brauch nicht nur Sprüche gemacht, sondern das Phänomen gründlich vor Ort im Gelände nach den Regeln geologischer Kunst untersucht.
2. Die wissenschaftlichen Untersuchungen vor Ort
Zwei Donnerlöcher wurden mit einem großen Bagger großvolumig aufgegraben und geologisch untersucht mit Probennahme und Fotodokumentation. – Über einem Donnerloch, das anschließend aufgegraben wurde, und einem in der Entstehung befindlichen Donnerloch wurden Profile geophysikalischer Messungen (geoelektrische komplexe Widerstandsmessungen mit der Registrierung von Widerstand und Induzierter Polarisation) gemessen, um die geologischen Untergrundstrukturen auch in einem größeren Rahmen um die Donnerlöcher zu erfassen.
3. Die Ergebnisse
Donnerloch-Aufgrabungen: Die Donnerlocheinbrüche existieren genau im Scheitel von erheblichen, z.T. viele Meter messenden Aufwölbungen der geologischen Schichten. Konzentrisch unter dem Oberflächen-Donnerloch befindet sich eine große bis zu einem Meter messende runde Perforation in einer Nagelfluh-Bank (betonartig zementiertes Konglomerat). Durch diese Perforation ist sandig-kiesiges Material nach oben in die kuppelartig aufgewölbten tonig-lehmigen Schichten gepresst worden; die Kiesgerölle sind vielfach stark zertrümmert. Die Pressung VON UNTEN NACH OBEN muss EXTREM ENERGIEREICH gewesen sein, da mehrere 100 kg schwere Nagelfluh-Blöcke aus der Perforation herausgebrochen und bis zu einem Meter (!) NACH OBEN transportiert wurden. – Im tief aufgegrabenen Untergrund wurden größere offene Hohlräume (in mehreren Metern Tiefe) freigelegt.
Die Ergebnisse Geophysik: Die Messungen der Geoelektrik zeigen ein Szenario mit einer starken Störung des geologischen Untergrundes bis zu mehr als 20 m Radius um das Donnerloch. Die Geophysik zeugt eindeutig Aufwölbungen der Schichten, Transport von sandig-kiesigem Material VON UNTEN NACH OBEN, zum Teil in vertikalen, scharf begrenzten Röhren. Eine solche scharf begrenzte Explosionsröhre könnte möglicherweise auch das jetzige röhrenförmige Donnerloch mit 7 m Tiefe vorgezeichnet haben (Abb. 2).
Abb. 2. Das sich entwickelnde Donnerloch bei Mörn im geophysikalischen Bild: Wird daraus auch so eine enge, tiefe Einbruchsröhre?
4. Deutung der geologisch-geophysikalischen Befunde
(überwiegend nach der Publikation zu den Donnerlöchern im Central European Journal of Geosciences).
Möglichkeiten:
— schwerstes Erdbeben: Alle Befunden deuten auf den hinlänglich bekannten Prozess der Bodenverflüssigung (Liquefaktion) mit explosionsartiger Entladung nach oben, wie sie von schwersten Erdbeben bekannt ist, Erdbeben von Calabrien, New Madrid und viele andere. Ein schwerstes Erdbeben, das nur im Raum Kienberg gewirkt hat, kann ausgeschlossen werden.
— Da ausgehobenes Material fehlt, kann menschliches Wirken (Brennöfen, Prospektion, Bombenkrater, Behausungen) ausgeschlossen werden. Möglichkeiten reiner Erdfälle:
— Bergbau-Tätigkeit im Raum Kienberg kann ausgeschlossen werden.
— Großvolumige Verkarstung kann ausgeschlossen werde (man bedenke: ganze Pferdegespanne sind im der Region Kienberg eingesunken); die ersten verkarstungsfähigen Kalkgesteine gibt es erst im Malm, 4000 m tief.
— (Sub)vulkanische Tätigkeit ist unbekannt und kann ausgeschlossen werden.
— Heftige Grundwasserspiegelschwankungen mit der Ausspülung im Untergrund gibt es im Raum Kienberg nicht.
— Interne Erosion (sog. Piping) ist denkbar, verlangt aber nach Terassenkanten oder Geländeabhängen: haben wir bei den Donnerlöchern nicht.
— Gasausbrüche? Erdgas gibt es in 1000 m Tiefe, aber es ist unvorstellbar, dass Gasexhalationen in der Lage sind, mehrere 100 kg schwere Nagelfluhblöcke in die Höhe zu heben.
— Schlammvulkanismus? Es fehlt der Schlamm.
— Eistektonik? Eiskeile? Nirgendwo in den zahllosen Kiesgruben der Region kann man Auswirkungen von Eistektonik und dadurch deformierte Konglomerate (Dr. Poschinger) beobachten. Und warum macht die Eistektonik fast immer ziemlich kreisrunde Löcher?
5. Deutung durch den Chiemgau-Impakt
Der Chiemgau hält sämtliche „Zutaten“ bereit, um die Phänomene der Donnerloch-Entstehung plausibel zu machen: Extrem energetische Kollision eines Kometen oder eines locker gebundenen Asteroiden mit der Erdoberfläche – Auslösung extremer „Erdbeben“-Schockwellen (Richter-Äquivalent vielleicht 7) – Bodenverflüssigung der sandig-kiesigen Bodenschichten in einem schwebenden Grundwasserstockwerk, das es überall im Raum Kienberg immer wieder gibt (im Gegensatz zu der Behauptung von Dr. Huber) – hochenergetische, explosionsartige Entladungen an Schwächestellen in Nagelfluh-Einschaltungen – Materialtransport nach oben, Aufwölbung der Schichten, Zertrümmerung der Gerölle.
Dann Ruhe ……
In den folgenden hunderten und tausenden von Jahren bis auf den heutigen Tag sehr langsame Auswaschung des feinkörnigen Material aus dem durch den Impakt schwer mitgenommenen Untergrund – Hohlraumbildung – die Hohlräume werden immer größer – die Deckschichten tragen nicht mehr – ein Donnerloch bricht ein.
6. Das Analogon in der USA – die schwere Erdbebenserie 1811/1812 von New Madrid in Missouri
Liquefaktion (Bodenverflüssigung) – Sandexplosionen – Donnerlöcher – geologische Deformationen der Schichten ganz ähnlich denen der im Raum Kienberg anstehenden über riesige Areale hinweg – Warnung an die Farmer, mit ihrem schweren Gerät bestimmte „Donnerloch“-gefährdete Bereiche zu meiden ….. für alle USA-Geologen und Geologen aus aller Welt ein ganz normaler und voll verstandener Prozess.
7. Was sagen die herkömmlichen Erklärungen dazu?
Sämtliche herkömmlichen Erklärungen der Geologen bedienen sich des einfachen Modells einer Auswaschung im Untergrund mit Hohlraumbildung und nachfolgendem Einbruch. Aber die Geologen haben dabe niemals in den Untergrund geschaut sondern stets nur Standard-Lehrbuchwissen bemüht. Der entscheidende Unterschied ist die Zweiphasigkeit der Bildung der Donnerlöcher, die von den lokalen und regionalen Geologen endlich einmal zu verinnerlichen ist:
Phase 1: Extrem energetische Bewegung von unten nach oben mit einem erheblichen Materialtransport nach OBEN, Schichtaufwölbung, Gesteinszertrümmerung. Erst dann
Phase 2: Langandauerndes Auswaschen des feinkörnigen Materials mit Hohlraumentstehung und letztlich einem Donnerloch-Einbruch (Material nach UNTEN).
8. Warum der Widerstand gegen diese überhaupt erste wissenschaftliche Untersuchung des Phänomens der Donnerlöcher und die wissenschaftlich begründete Erklärung?
Unsere Ansicht: Geologen, die die Donnerlöcher nach dem Lehrbuch erklären wollen, sträuben sich dagegen, sich überhaupt mit dem geologischen Prozess eines Impaktes auseinandersetzen zu müssen (weil der eben nicht in ihrem Lehrbuch steht), und auf diese Weise sehen sie auch eine feine Möglichkeit, den Impakt überhaupt ignorieren zu können. Womit wir wieder beim Anfang und dem LfU und der Uneinsichtigkeit seiner Beamten zu einem der spektakulärsten geologische Phänomene der jüngsten geologischen Vergangenheit in Bayern wären.
Weitsichtiger und weit einsichtiger ist da offenbar Bürgermeister Urbauer von der Gemeinde Kienberg. In einem Fernsehbeitrag zum neu entstandenen 7 m-Donnerloch äußerte er sich sinngemäß so: Bisher haben sich nur die Wissenschaftler und unsere Leute hier Gedanken zu dem Phänomen gemacht. Aber offenbar müssen wir die Sache in Zukunft doch allgemein ernster nehmen.