Ein eingeebneter Meteoritenkrater bei Perach

Die Luftaufnahme (1)* wurde im nördlichen Teil des Impakt-Streufeldes bei Perach gemacht und zeigt (Pfeil) einen auf einer Ackerfläche eingeebneten Krater.

  Bild 1
Quelle BLfD

  Bild 2

Die in der Originalaufnahme nur schwach angedeutete Struktur bekommt nach einer Bildbearbeitung verblüffend scharfe Konturen (2). Klar heben sich vier verschiedene konzentrische Zonen ab (3):

  • ein grob 5m messender zentraler Bereich (schwarz)
  • eine anschließende Zone mit einem Durchmesser von etwa 12 m (rot)
  • eine ringförmige, knapp 10 m breite Zone mit einem äußeren Durchmesser von ca. 30 m (gelb)
  • eine äußere Zone mit 60 – 70 m Durchmesser mit strahlenförmiger Erweiterung bis in eine radiale Entfernung von grob 50 m (rot).

 Bild 3

Wir versuchen die folgende Zuordnung der einzelnen Zonen:

Die Deutung des zentralen Bereichs orientiert sich an den Bodenradarmessungen (Dr. Patzelt, Terrana Geophysik; in http://www.lpi.usra.edu/meetings/metsoc2005/pdf/5158.pdf) über einem anderen Krater (11 m Durchmesser; unser Krater 004 – siehe dazu auch https://www.chiemgau-impakt.de/wp-content/uploads/2011/07/Petrographie-und-Geochemie.pdf) im nördlichen Bereich des Streufeldes. Die Bodenradarmessungen zeigen sehr starke Reflexionen am Kraterboden, die möglicherweise mit einer starken Verdichtung des Untergrundmaterials zusammenhängen. Wenn diese angenommene Verdichtung auch im Peracher Krater existiert und z.B. wasserstauend wirkt, könnte sich das optisch bis zur Oberfläche durchpausen.

Die anschließende Zone mit etwa 12 m Durchmesser könnte das Material der Verfüllung des ursprünglichen Kraters repräsentieren. Die anschließende ringförmige Zone deuten wir als den Bereich des ursprünglichen Ringwalles, von dem nach der Verfüllung noch basales Material an Ort und Stelle verblieben ist. Nimmt man die Mitte dieser Zone als die Lage der ursprünglichen Wallkrone, hätten wie es mit einem originalen Krater von ca. 20 m Durchmesser zu tun.

Schließlich dürfte es sich bei der äußersten Zone (60 – 70 m Durchmesser) um ein Abbild der Zone der Auswurfmassen (Ejekta) handeln, das sich radialstrahlig noch bis in grob 50 m Entfernung vom Zentrum erstreckt.

Diese Dokumentation einer Ringstruktur macht deutlich, daß Erklärungen, wie sie gern und wiederholt von Gegnern des Chiemgau-Impaktes und von Zweiflern an der Meteoritengenese der vielen Krater vorgebracht werden (geologische Eiszeitstrukturen, anthropogene (archäologische) Strukturen, primitive industrielle Prozesse u.a.),  eher Erklärungsnöte nach sich ziehen.

Um einer naheliegenden Frage vorzubeugen: Ja, wir werden diese Struktur bei Perach mit verschiedenen geophysikalischen Meßverfahren untersuchen, um die optische Zonierung vielleicht noch detaillierter physikalisch charakterisieren zu können.

* Die Luftaufnahme wurde in früheren Texten fälschlich als Infrarotaufnahme bezeichnet

Aus der Bunten Breccie am Tüttensee

Die Schicht der Auswurfmassen vom Tüttensee hat hier schon mehrfach für die Bilder der Woche hergehalten, was im Archiv nachvollzogen werden kann. Jetzt präsentieren wir einige besonders schöne Einzel-Komponenten, nachdem wir sie von der tonigen Matrix dieser polymikten Breccie befreit haben. Zum Begriff „Breccie“ (oder „Brekzie“) wollen wir anmerken, dass er nach der gängigen Klassifikation ein klastisches, also aus eckigen Trümmerkomponenten in einem Bindemittel bestehendes Gestein bezeichnet. Wenn wir hier auch gerundete Komponenten in der Breccie vorfinden, dann ist das so zu verstehen, dass beim Impakt im Bereich des heutigen Tüttensees auch ein konglomeratisches Gestein aus alpinen Geröllen zertrümmert wurde, wobei Komponenten dieser Zertrümmerung auch als gerundete Gerölle heil bleiben und als Bestandteile in die Breccie eingearbeitet werden konnten. Entsprechendes findet man auch in der Bunten Breccie des Nördlinger Ries-Kraters (z.B. die Buchberg-Gerölle).

 

  Bild 1

 

Unsere hier gezeigten Gerölle aus der Tüttensee-Bunte Breccie zeichnen sich dadurch aus, dass sie beim Impakt offenbar noch mehr erlebt haben. Die tiefgreifende Korrosion und Gesteinslösung bis hin zu skelettartigen Bildungen führen wir auf die Einwirkungen hoher Temperaturen oder/und die Einwirkung starker Säurelösung zurück.

 

Der mächtige Brocken in Bild 1 ist ein Kalkstein, der mit seiner Skulptur (man beachte z.B. den zarten, hochstehenden Zapfen etwa in der Mitte) so nicht aus den Alpen gekommen sein kann. Offenbar ist ein beachtlicher Teil des Gesteins fortgeführt worden, und zwar nicht durch Bruch. Eine Erklärung können die hohen Temperaturen beim Impakt sein, bei denen ein Kalkgestein schmelzen oder sich wie beim Kalkbrennen zersetzen kann. Möglich ist auch eine Lösung durch Salpetersäure, die in der Impakt-Explosionswolke entstehen kann, was wir an dieser Stelle schon früher erörtert haben. Beide Prozesse (Hitze und Säure) müssen sich dabei nicht ausschließen.

 

  Bild 2

 

Bild 2 zeigt eine Sandsteinkomponente, die irgendjemand bereits als Saurier-Embryo bezeichnet hat. Bei Formung dieser „Skulptur“ können wir dieselben Prozesse der Zerstörung verantwortlich machen. Wenn die Quarzkörner des Sandstein mit einem karbonatischen Bindemittel zementiert sind, geschieht bei Temperatur und Säure die Zerstörung des Bindemittels mit tiefgreifender Vergrusung. Bei zurückgehender Temperatur bzw. nachlassender Säurewirkung bleiben dann solche Gesteinsskelette zurück.

 

Nicht anders verhält es sich bei den Komponenten der Bilder 3 und 4 mit den tiefgreifend zerfressenen Kalk- bzw. Dolomitsteinen mit z.T.scharfkantig herausmodellierten Graten. Bei den herausragenden Rippen, die Temperatur/Säure widerstanden haben, handelt es sich um Quarzgängchen, die deutlich höhere Schmelztemperaturen benötigen bzw. weit widerstandsfähiger bei Säurelösung sind.

 

  Bild 3

 

 Bild 4

 

Wir machen noch einmal darauf aufmerksam, dass die hier gezeigten drastischen Gesteinsveränderungen an Klasten beobachtet werden, die Bestandteile eines Gesteins, nämlich der Bunten Breccie sind. Mit Blick auf bereits früher von uns vorgestellte, derartig tiefgreifend korrodierte Komponenten des Impakthorizontes, haben Mitarbeiter des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (früher: des Geologischen Landesamtes) als Erklärung saure Böden herangezogen, was wir hier nicht weiter kommentieren wollen.

 

  Bild 5

 

Die in Bild 5 gezeigte Komponente stammt ebenfalls aus dem Impakthorizont, und zwar von der Basis der Bunten Breccie, wo sie in den liegenden fossilen Bodenhorizont eingedrückt angetroffen wurde. Der Block besteht aus festem, hartem Quarzit und zeigt rundum an mehreren Stellen muldenartig in das Gestein hineingreifende Ausschürfungen. Die Oberfläche des Quarzitblocks zeigt keinerlei Striemungen, und auch die Einmuldungen sind nicht auf glaziale Verformung durch Gletscher zurückzuführen – um entsprechenden Einwendungen von Impakt-Kritikern vorzubeugen. Die muldenartigen, gerichteten Ausschürfungen sind glatt, was für eine wenn auch nur kurze plastische Reaktion (wie ein Brei) des Quarzitmaterials spricht. Im Rahmen unseres Models, das die Schicht der Bunten Breccie als einen Auswurfhorizont (Ejekta) des Tüttensee-Kraters erklärt, dürfte dieser Block unmittelbar nach dem Einschlag in alpines Material in die durch extreme Schockdrücke initiierte Exkavation des Kraters geraten sein. In dieser Hochdruckphase wurde es durch benachbarte Gerölle derart plastisch verformt, geriet in den Auswurf and schlug an der Basis des sich bildenden Ejektahorizontes der Bunten Breccie in den damaligen (heute fossilen) Boden ein

Knochen und Zähne im Impakthorizont (Ejekta, Bunte Breccie) am Tüttensee.

 

Die in zahlreichen Schürfen als wahrscheinliche Auswurfmassen des Tüttensee-Kraters angetroffene Lage einer polymikten Brekzie ( http://chiemgau-impakt.de/pdfs/ATT00007.pdf ) enthält in der tonigen Grundmasse (Matrix) neben bunten Trümmerfragmenten mit Schockeffekten (http://chiemgau-impakt.de/pdfs/bdw3.pdf ) reichlich organisches Material in Form von Holz und Holzkohle. Daneben wurden Knochenfragmente und Zähne in mittlerweile vier Schürfen angetroffen. Für zwei Knochen und zwei Zähne konnten jetzt präzisere Bestimmungen vorgenommen werden (durch Dr. M. Mäuser, Direktor desNaturkundemuseums in Bamberg).

Knochen 1 (Schurf Bild 1) ist die zweite Phalange (Zehenknochen, Kronbein) eines Rindes. Knochen 2 gehört zum linken Astragalus (Rollbein) eines Hirsches – vermutlich Rothirsch; Damhirsch nicht ausgeschlossen. Zahn 1 (Bild 3) ist ein Oberkiefermolar eines Ziegenartigen (Caprinae). Zu den Ziegenartigen gehören neben Schaf und Gemse auch die Ziegen und der Steinbock. Die Größe des Zahns spricht für Schaf oder Steinbock. Zahn 2 (Bild 4) ist wahrscheinlich ein Pd4(hinterster Milchprämolar), vermutlich ebenfalls von einem Ziegenartigen.

Ungeklärt wird bleiben, ob die Tiere beim Impakt umkamen oder die Skelette bereits existierten, zertrümmert und zu Bestandteilen der Impaktbrekzie wurden. Bei Schaf und Rind könnte es sich um Haustiere gehandelt haben.

Schock-Effekte (Schockmetamorphose) in Gesteinen aus dem Impakthorizont am Tüttensee (Ejekta, Bunte Breccie)

 

Zahlreiche Schürfe im Umfeld des Tüttensees weisen auf eine mehr oder weniger zusammenhängende Schicht von Auswurfmassen (Impakt-Horizont) um den See herum. Die Besonderheiten dieses Horizontes mit seinen impakt-typischen Merkmalen sind bereits beschrieben worden: https://www.chiemgau-impakt.de/pdfs/ATT00007.pdfhttps://www.chiemgau-impakt.de/pdfs/Seiten%201-10.pdf und https://www.chiemgau-impakt.de/pdfs/Seiten%2011-26.pdf. Gezielt wurden nunmehr Proben (von kristallinen und sedimentären alpinen Geröllen) aus dieser Schicht entnommen, die systematisch auf Schockeffekte analysiert wurden, wobei vorerst allein Untersuchungen am optischen Mikroskop vorliegen. Nach Durchsicht von Dünnschliffen aus 31 Gesteinsproben aus 7 verschiedenen Schürfen steht fest, daß ein reichhaltiges Inventar an Mineralveränderungen besteht, die mit Sicherheit oder sehr großer Wahrscheinlichkeit auf Schockeinwirkung zurückzuführen sind. Die beiden hier gezeigten Dünnschliffaufnahmen (xx Polarisatoren) zeigen links planare Deformationsstrukturen (PDFs) in einem Quarz aus einem Glimmerquarzit und rechts zwei Scharen von extrem engständigen Knickbändern in einem Biotit aus einem Gneis. Einen ausführlichen Text dazu mit 17 Dünnschliffaufnahmen kann man HIER anklicken

Die „Bunte Breccie“ vom Tüttensee

Mit dem Begriff „Bunte Breccie“ wird beim Ries-Impaktkrater (Nördlinger Ries) derjenige Anteil der Auswurfmassen (Ejekta, Bunte Trümmermassen) bezeichnet, der bei der geologischen Detail-Kartierung zeichnerisch nicht mehr in stratigraphisch unterscheidbare Einheiten unterteilt werden kann. Das „Bunte“ bezieht sich dabei auf die vielen Farben (schwarze Jura-Tonsteine, weiße Malm-Kalksteine, violette und grünliche Keupergesteine, vielfarbige Kristallingesteine), die bei starker Durchmischung der Komponenten dieser Breccie eben das bunte Aussehen verleihen. Neue Schürfe am Tüttensee haben eine „Bunte Breccie“ angetroffen (das Bild hier), die eine ungemein große Ähnlichkeit mit ihrer „Namensschwester“ vom Rieskrater besitzt, inbesondere wenn man zum Vergleich die dortige feinstückige tonige Breccie heranzieht. Ein vergleichbarer Bildungsprozeß (beides Impakt-Ejekta) ist zu vermuten. Etwas ausführlicher wird der neue Befund am Tüttensee in einem vorläufigen Bericht HIER abgehandelt.

Schürfe in der östlichen Umrahmung des Tüttensees haben den Impakthorizont, der im Herbst 2005 am Ortsrand von Grabenstätt aufgeschlossen wurde (https://www.chiemgau-impakt.de/einfuehrung/ein-impakthorizont-bei-grabenstatt/), erneut und an mehreren Stellen angetroffen. Die Befunde ähneln stark denjenigen von Grabenstätt mit einigen zusätzlichen Besonderheiten. Ein vorläufiger Bericht mit 33 Farbbildern, der den Impaktursprung des Tüttensees weiter untermauert, ist hier (Teil1 undTeil2) nachzulesen.

 

Einer der bemerkenswertesten Krater im Impakt-Streufeld ist der Krater 024 bei Marktl. Er ist aus der Uferböschung des Inns geradezu herausgestanzt worden und heute noch als Halbkrater mit einem Durchmesser von ca. 50 m erhalten. Ursprünglich hat es einen Wall gegeben, der im Zuge der Ackerbewirtschaftung eingeebnet wurde. Foto: Gerhard Benske.


Erzmikroskopische Aufnahme einer Probe aus der Krater-Streuellipse: Längliche dunkle Xifengit-Kristalle (x) und Titankarbid-Einschlüsse (tc) in einer Matrix aus Gupeiit (g). Die Eisensilizid-Minerale Xifengit und Gupeiit sowie das Titankarbid sind wichtige Funde im Zusammenhang mit dem Impakt.

Mineralogisch-petrographische und geochemische Untersuchungen

Seit der ersten online-Veröffentlichung über den „Kometen vom Chiemgau“ durch die amerikanische Zeitschrift Astronomy und dem ersten ausführlicheren Internetartikel (Rappenglück et al. 2004) ist ein umfangreiches Programm mineralogisch-petrographischer und geochemischer Untersuchungen an Gesteinen und Material aus der Streuellipse und ihrer Umgebung durchgeführt worden. Die Arbeiten (Dünnschliff-Petrographie, Mikrosonden- und Röntgenstrahlen-Analysen, Analytik am Rasterelektronenmikroskop usw.) erfolgten vornehmlich am Institut für Mineralogie der Universität Würzburg, untergeordnet bei Carl Zeiss SMT, Oberkochen.

Außer vom CIRT gezielt entnommenem Material wurde eine größere Zahl von  Proben analysiert, die interessierte und aufmerksame Zeitgenossen gefunden und uns übermittelt haben. Bei nicht allen Proben sind wir bisher zu schlüssigen Resultaten gekommen; bei einigen stehen weitergehende Untersuchungen aus.

Einen Komplex, der u.a. bisher sehr detailliert untersucht wurde, stellen die lithologisch sehr vielfältigen, mechanisch und thermisch stark beanspruchten Gerölle aus Kratern im nördlichen Bereich des Impakt-Areals dar (Abb. 1, 2, 3). 17 Geröllproben wurden mit Dünnschliffen und Mikrosonde analysiert (Institut für Mineralogie der Universität Würzburg). Die Gerölle aus den Molassesedimenten repräsentieren gängige Gesteine aus den Alpen wie Quarzite oder basische Metamorphite. Die Dünnschliffe zeigen deutlich eine Schockmetamorphose bei hohen Temperaturen und Drücken. Wir beobachten multiple Scharen von planaren Deformationsstrukturen (PDFs, Abb. 3) in Quarz und Feldspat, diaplektisches SiO2-Glas und extreme Subkornbildung. Extremes Auftreten von offenen und glasgefüllten Zugbrüchen in den Geröllen und in einzelnen Quarzkörnern deutet auf Spallation durch dynamische Schockimpulse. Schmelzgläser finden sich in drei verschiedenen Ausbildungen: als dünne Glaskrusten (Abb.1), die in vielen Fällen die Gerölle vollständig überziehen, als blasiges und teilweise rekristallisiertes Feldspatglas (Abb. 2), das Quarzite vollständig durchsetzt, und als auf die Gerölle aufgekleckste Schmelzbatzen aus Fremdmaterial.

Abb. 1. Vollständig mit Glas ummanteltes Geröll aus Krater 004 (links). Rechts: Nahaufnahme. Das farblos bis grünliche Glas enthält zahllose winzige Bläschen. Breite des Ausschnitts 22 mm.

Die Glasüberzüge haben sich wahrscheinlich gebildet, als die bei der Kraterbildung ausgeworfenen Gerölle in die überhitzte Explosionswolke hineinflogen. Da dieses Glas stark an Kalium und Natrium angereichert ist, was sonst in den Geröllen praktisch nicht vorkommt, muß eine externe Anlieferung angenommen werden. Ein Beitrag aus verglühter oder verdampfter Vegetation muß in Betracht gezogen werden.

Abb. 2. Links: Anschnitt eines thermisch geschockten Quarzit-Gerölls aus dem 11 m messenden Krater 004. Man beachte die dunklen Streifen aus teilweise rekristallisiertem Feldspat-Glas, die dem Gestein ein gneis-ähnliches Aussehen vermitteln. Rechts: Nahaufnahme. Dunkles und farbloses Feldspat-Glas zusammen mit hellen Quarzkörnern. Das Aufnahmefeld ist 3 mm breit.

Abb. 3. Zwei scharen planare Deformationsstrukturen (PDFs) in Quarz als Ausdruck von Schockbeanspruchung. Aus einem Geröll in Krater 004. Das Feld ist 1,5 mm breit

Die Geländebeobachtungen und die Laboruntersuchungen schließen normale tektonische Prozesse und anthropogene Einwirkungen völlig aus und sprechen eindeutig für ein Impaktereignis. Ein ausführlicher Artikel zu diesen Untersuchungen kann HIER angeklickt werden.

Weitere Hinweise auf hohe Temperaturen geben die Funde weißer, hochporöser Karbonat-Klasten (Abb. 4). Wir interpretieren sie als Kristallisationsprodukte einer Karbonatschmelze aus der Aufschmelzung von Kalkstein-Geröllen. Sehr ähnliches schaumiges Karbonat-Material, ebenfalls als Relikte von Karbonatschmelzen gedeutet, wird für die Impaktstrukturen von Azuara und Rubielos de la Cérida beschrieben (Ernstson & Claudin 2002; siehe auch Grieve & Spray 2003). Anders als silikatische Gesteine können Karbonate nicht zu Glas abgeschreckt werden. Stattdessen kristallisieren sie beim Abkühlen sehr schnell aus, um wieder zu Calcit/Aragonit zu werden. Typisch ist dann z.B. das Auftreten von dendritischen Kristalliten. In den hier beschriebenen weißen Karbonatmassen finden sich auch Relikte von Calcit-Kristallen mit Mikrozwillingsbildung, die ebenfalls als Schockindikator gilt (Metzler et al. 1988, und weitere Zitate dort). Weiter unten beschreiben wir solche hochporösen Karbonat-Klasten, die mit Eisensilizid-Splittern gespickt sind.

Abb. 4. Extrem poröse Karbonat-Klasten werden als Kristallisationsprodukte aus einer Karbonatschmelze gedeutet.

Eine besondere Material-Gruppe stellen die metallischen Partikel dar, die ursprünglich die Entdecker auf die Spur des Impaktes gebracht hatten und die mittlerweile über die gesamte Fläche des Kraterstreufeldes und in einem begleitenden Halo, insgesamt auf einer Fläche von über 3000 km², nachgewiesen wurden.

Metallische Stücke  bis zu einer Größe von 10 cm, in der Regel aber nur sehr klein bis zu einer Fraktion von feinem Sand, zeigen sich ohne jegliche Oxidationsspuren, besitzen eine Dichte von 6,3 g/cm³ und eine Mohs’sche Härte von 6-8. Aerodynamische und Abspratz-Formen sind häufig (Abb. 5).

Abb. 5. Typische Formen größerer Partikel von metallischen Eisensiliziden.

In der Analyse erweisen sie sich als  Eisensilizide unterschiedlicher Eisen-Silizium Verhältnisse, FeXSiY, mit verschiedenen Einschlüssen, darunter Titankarbid, TiC, Alpha-Eisen und Aluminium-Silizid, AlXSiY. Auch in den oben beschriebenen hochporösen Karbonatklasten, die aus einer Karbonatschmelze abgeleitet werden, finden sich die metallischen Eisensilizide als Einschlüsse (Abb. 6).

Abb. 6. Hochporöses karbonatisches Material gespickt mit winzigen metallischen Partikeln. Die Pfeile markieren größere Einschlüsse. Länge der Probe 5 cm.

Dieses sehr eigenartige metallische Material, das offenbar eng mit den Kratern des Streufeldes vergesellschaftet ist, wurde – nach früheren Untersuchungen an Funden im nördlichen Areal (Beer 2003, Rösler et al. 2004, 2005, Schryvers & Raeymakers 2005) – erneut am Institut für Mineralogie der Universität Würzburg analysiert, und zwar für Fundorte in der gesamten Streuellipse bis in Hochlagen (1200 m NN) der allerersten Alpenkette.

Regelmäßig werden Verwachsungen der Eisensilizid-Minerale  Gupeiit, Fe3Si1 , und Xifengit, Fe5Si, beobachtet (Abb. 7, 8), und häufig schwimmen Kristalle von Titan-Karbid, TiC , in einer Gupeiit-Matrix (Abb. 9, 10).

Die Minerale Gupeiit und Xifengit wurden eindeutig mit eine Röntgen-Analyse identifiziert (Abb. 11). Die Möglichkeiten einer industriellen Herkunft der Eisensilizide und des Titankarbid werden ausführlich diskutiert unter dem Menüpunkt Diskussion anderer Modelle sowie nach neuesten Untersuchungen – HIER.

 

Abb. 7. Gelängte dunkle Xifengit-Kristalle (x) in einer Matrix aus Gupeiit (g). Erzanschliff im Auflichtmikroskop.

Abb. 8. Kristall des Eisensilizids Fe1Si1 ummantelt von Xifengit; beide schwimmen in einer Matrix aus Gupeiit. Erzanschliff im Auflichtmikroskop.

Abb. 9. Gelängte dunkle Xifengit-Kristalle  (x) und Titankarbid-Einschlüsse (tc) in einer Gupeiit-Matrix (g). Erzanschliff im Auflichtmikroskop.

Abb. 10. Dreieckige Anschnitte von Titankarbidkristallen in einer Gupeiit-Matrix Erzanschliff im Auflichtmikroskop.

Abb. 11. Pulverdiffraktogramm einer Eisensilizidprobe mit typischen Reflexen von Xifengit, Gupeiit und Titankarbid.

Regmaglypten auf Kalkstein-Geröllen: Hinweis auf Karbonatschmelze im Chiemgau-Impakt – Nachtrag

Vor etwa 40 Jahren wurde von Thomas Weber, Hettenleidelheim, im Bereich des nördlichen Chiemseeufers zwischen Seebruck und Lambach ca. 30 – 40 m vom Ufer entfernt aus 2 – 3 m Wassertiefe der Stein der Abb. 1 geholt. Ein weiterer, sehr ähnlicher Brocken wurde an derselben Stelle von seinem Begleiter geborgen. Wegen der sehr ungewöhnlichen Oberflächenskulptur wurden die Steine seinerzeit als Sammelobjekte mitgenommen. Thomas Weber hat uns nunmehr, nachdem er sich im Zusammenhang mit der Diskussion über den Chiemgau-Impakt an seinen Fund erinnerte, den Stein zur Untersuchung und Dokumentation zur Verfügung gestellt.

Abb. 1. Ein aus dem Chiemsee geborgenes regmaglyptisches Kalksteingeröll. 

Wir deuten die eigenartige Oberflächenskulptur als Schmelzstrukturen, sogenannte Regmaglypten, die beim Flug des Gerölls durch die heiße Explosionswolke beim Chiemgau-Impakt entstanden. Regmaglypten sind ursprünglich von Meteoriten bekannt, mittlerweile aber auch von irdischen Impaktstrukturen beschrieben worden (Abb. 2).

Ein ausführlicherer Text über Regmaglypten, das hier gezeigte Geröll, Verwechslungsmöglichkeiten mit gewöhnlichen Lösungskarren und eine Erörterung im Rahmen des Chiemgau-Impaktes kann HIER angeklickt werden.

Abb. 2. Erstaunlich ähnlich: Regmaglypten auf der Oberfläche des Tabor-Meteoriten (links) und auf einem Kalkstein-Fragment aus den Puerto Mínguez-Ejekta, Azuara-Rubielos de la Cérida-Impaktstrukturen (Spanien).


Dr. R. Huber von der Universität Bremen hat uns kürzlich mitgeteilt, daß dem (Zit.) Augenschein nach die hier gezeigten Skulpturen das Werk von Endolithen, also von Bakterien und Algen seien. Wir bedanken uns für seinen Hinweis und werden die Strukturen auch noch einmal unter dem Gesichtspunkt biogener Formen untersuchen. Eine endolithische Entstehung halten wir für äußerst unwahrscheinlich und verweisen darauf, daß dem Augenschein nach sehr ähnliche Strukturen dennoch aus ganz unterschiedlichen Prozessen resultieren können. Ein einschlägig typisches Beispiel ist die absolute phänomenologische Übereinstimmung von Produkten regmaglyptischer Schmelzprozesse und Lösungsprozessen im Karst (Karren).

Inzwischen haben wir die sog. “Furchensteine” auch unter dem Gesichtspunkt einer Wirkung von Algen und Bakterien untersucht. Diese Erklärung müssen wir für die von uns (!) beschriebenen Strukturen ausschließen. Wir verweisen dazu auch noch einmal auf den ausführlichen Artikel .